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sich zu unserem Schmerz verhält, desto sehnsüchtiger flüchten wir an ein anderes Menschenherz, von dem wir glauben, daß es mitfühlend schlägt. Darum hat mich das weiße Papierblatt, das der Arzt beim Rezeptschreiben auf dem Tische liegen ließ, herangelockt – und darum schicke ich das Blatt an Sie …

7 Uhr. Es ist vorbei.

– Lebewohl, mein alter Bub’. Das waren ihre letzten Worte. Darauf schloß sie die Augen und schlief ein. – Schlaf wohl, meine alte Mutter!

Weinend küßt Ihre lieben Hände Ihr zu Tode betrübter

Friedrich Tilling.“


Diesen Brief besitze ich noch. Wie zerknittert und verblaßt sieht das Blatt nicht aus! Nicht nur die verflossenen fünfundzwanzig Jahre haben diese Verwitterung verursacht, sondern auch die Thränen und Küsse, mit welchen ich damals die lieben Schriftzüge bedeckte. „Zu Tode betrübt“ – ja – aber auch „himmelhochjauchzend“ war mir zu Mute, nachdem ich gelesen. Deutlicher – obwohl kein Wort von Liebe darin stand – konnte kein Brief den Beweis erbringen, daß der Schreiber die Empfängerin – und keine andere – liebte. Daß er in solcher Stunde, am Sterbelager der Mutter, sein Leid nicht am Herzen der Prinzessin auszuweinen sich sehnte, sondern an dem meinen – das mußte doch jeden eifersüchtigen Zweifel ersticken.

Ich überschickte am selben Tage einen Totenkranz

Empfohlene Zitierweise:
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/128&oldid=- (Version vom 31.7.2018)