höchste Menschenpflicht es war, die meinen Teuren abberief, und daß ihm hierdurch die Möglichkeit geboten würde, sich mit Ruhm und Ehren zu bedecken. Jetzt lebte ich ja mitten drin in einer Geschichtsepoche: das war auch ein eigentümlich erhebender Gedanke. Weil von Herodot und Tacitus an bis zu den modernen Historikern herab die Kriege stets als die wichtigsten und folgenschwersten Ereignisse dargestellt worden, so meinte ich, daß auch gegenwärtig ein solches – künftigen Geschichtsschreibern als Abschnittsüberschrift dienendes Weltereignis im Gange war.
Diese gehobene, wichtigkeitsüberströmende Stimmung war übrigens die allgemeine herrschende. Man sprach von nichts Anderem in den Salons und auf den Gassen; las von nichts Anderem in den Zeitungen, betete für nichts Anderes in den Kirchen: wo man hinkam, überall dieselben aufgeregten Gesichter und die gleichen lebhaften Besprechungen der Kriegseventualitäten. Alles Übrige, was sonst das Interesse der Leute wach hält: Theater, Geschäfte, Kunst –, das wurde jetzt als ganz nebensächlich betrachtet. Es war einem zu Mute, als hätte man gar kein Recht, an etwas Anderes zu denken, während dieser große Weltschicksalsauftritt sich abspiele. Und die verschiedenen Armeebefehle mit den bekannten siegesbewußten und ruhmverheißenden Phrasen; und die unter klingendem Spiel und wehenden Standarten abmarschierenden Truppen; und die in loyalstem und patriotisch glühendstem Tone gehaltenen Leitartikel und öffentlichen Reden; dieser ewige Appell an Tugend, Ehre,
Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. Dresden/Leipzig: E. Pierson’s Verlag, 1899, Band 1, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_1).djvu/038&oldid=- (Version vom 31.7.2018)