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Walther Kabel: Berühmte Vielesser (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3)

in schnell hergerichteten Zelten eine Schmauserei folgte. Dabei zeigte der Graf Belramor, von dessen nie zu stillendem Hunger sogar schon in Rom im Palaste des Papstes gesprochen wurde, auf Wunsch des Bischofs eine Probe seines Könnens. Von einem soeben erst erlegten Hirsch wurden die besten Stücke, an denen sich sechs kräftige Männer hätten sättigen können, von den Köchen mit Steinen mürbe geschlagen und gebraten. Der burgundische Edle verzehrte alles in kurzer Zeit, ließ dem Hirsche noch die beiden Hinterkeulen eines Ebers folgen sowie vier gebackene Fische, die jeder ein viertel Speerschaft (dreiviertel Meter) lang waren. Dazu trank er klares Quellwasser. Er hatte nämlich ein Gelübde abgelegt, dem Weine für alle Zeiten zu entsagen. – Als Bischof Trigufer bald darauf nach Italien zurückkehrte, lud er den Herrn v. Belramor ein, sich ihm anzuschließen und sich dem Papste vorzustellen. Die Reisenden verspäteten sich auf dem Weg über die Alpenpässe und gerieten in einen der ersten Schneestürme des nahenden Winters, der sie drei Wochen lang in einer einsamen Herberge einschloß. Der Bischof und sein Gefolge mußten schließlich aus Mangel an Nahrungsmitteln die Pferde der Reisegesellschaft verzehren, von denen nur vier in dem Unwetter die Zufluchtstätte erreicht hatten. Nach den ersten zwei Wochen waren die Rosse bis auf das letzte verwendbare Stück vertilgt, und die Herren und Knechte hatten nun nichts mehr, um ihren leeren Magen zu füllen. Der Graf v. Belramor, der seinen Körper durch Unmäßigkeit im Essen verwöhnt und verweichlicht hatte, war nicht fähig, diese Zeit ohne feste Nahrung auszuhalten. Als am vierten Tag auf einer fernen Felsspitze eine Gemse sichtbar wurde, verließ er mit seinem Jagdspeer die Hütte, eilte mühsam durch den Schnee davon und verschwand plötzlich in einer Felsspalte, die so tief war, daß nicht einmal ein hineingeworfener Felsbrocken beim Aufschlagen auf dem Grunde einen Ton an die Ohren der oben Lauschenden schickte.“

Aus der Zeit des dritten Kreuzzuges wieder berichtet eine französische Handschrift: „Der Ritter v. Pornavel wurde in dem Kampfe um die Küstenstadt Myrsos von den Ungläubigen

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Walther Kabel: Berühmte Vielesser (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 3). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ber%C3%BChmte_Vielesser.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)