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Walther Kabel: Berühmte Bücherdiebe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 6, S. 227–231

Berühmte Bücherdiebe. – Eine besondere Stellung unter jener recht unbeliebten, zu steter Verwechslung von Mein und Dein hinneigenden Kategorie von Menschen nehmen die Bücherdiebe ein, die teils aus Liebhaberei, teils aus Gewinnsucht den Bücherdiebstahl als Spezialität im großen betrieben und dadurch eine gewisse traurige Berühmtheit erlangt haben. Stets waren es gebildete Leute, ja zum Teil anerkannte Gelehrte, deren Namen man auf dieser schwarzen Liste findet.

Den Reigen dieser gefährlichen Bücherfreunde eröffnete bereits im Jahre 1492 der Magister Silvanus. Nachdem Gutenberg um das Jahr 1440 durch die Erfindung der mechanischen Vervielfältigung der Buchstaben und der Druckerpresse die schnelle Herstellung von Büchern in größeren Mengen ermöglicht hatte, entstand unter den reichen Patriziern der rheinischen Handelsstädte geradezu ein Wetteifer, sich umfangreiche Bibliotheken anzulegen, wobei auch sehr bald das Streben zutage trat, sich gegenseitig durch recht kostbare Büchereinbände zu übertrumpfen. Deckel mit Elfenbeinschnitzwerk und getriebener, mit Edelsteinen geschmückter Goldarbeit gehörten durchaus nicht zu den Seltenheiten. Diese wertvollen Einbände waren es, die wohl hauptsächlich die Habgier des Kölner Magisters Silvanus gereizt haben. Silvanus, der gerade in den reichsten Familien Kölns seit Jahren Hauslehrer war und daher auch zu den Bibliothekzimmern leicht Zutritt hatte, stahl im Laufe von zwei Jahren nicht weniger als vierhundertzweiundsechzig – für die damalige Zeit eine enorme

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Walther Kabel: Berühmte Bücherdiebe. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 6, S. 227–231. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ber%C3%BChmte_B%C3%BCcherdiebe.pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)