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derselben, näher zu treten. Er trat durch die sich erweiternde Felsenhöhle ein. Ringsum waren die Wände mit Gold und Juwelen geschmückt und auf dem Tische, woran die Alten saßen, lag ein Haufen funkelnder Goldstücke. Er wurde aufgefordert, sich die Taschen damit zu füllen, aber über die Herkunft des Geldes Verschwiegenheit zu bewahren. Auch nannte man ihm den Tag, wann er wiederkommen könne. Der Schatz gereichte ihm aber nicht zum Segen, denn er verpraßte ihn im Wirtshause. Dadurch erregte er bei seinen Mitbürgern Aufsehen, die sich nicht denken konnten, auf welche Weise der einst so Arme reich geworden sei. Bei einem wüsten Zechgelage erforschte einer seiner Trinkkumpane das ganze Geheimnis und forderte ihn unter Drohungen auf, ihn beim nächsten Besuche der Höhle mitzunehmen. Als aber beide an dem bestimmten Tage hinkamen, blieb dieselbe verschlossen und hat sich bis heute nicht wieder aufgetan.

b) Am Proitschenberg spielende arme Kinder fanden dortselbst einen Haufen Kohlen, wovon sie einige mit nach Hause nahmen. Da sich die Eltern über das gute Brennmaterial freuten, holten sie noch den Rest. Doch als man die Kohlen zum Brennen verwenden wollte, hatten sie sich in einen Haufen Goldstücke verwandelt.

c) Ein Bauer aus der Seidau, namens Reichardt, hatte von dem Schatze auf dem Proitschenberge und von dem kleinen grauen Männchen, das bei der Hebung behilflich sein könnte, gehört und beschloß, sein Glück zu versuchen. Um Mitternacht begab er sich auf den Berg, wo er auch wirklich das kleine Männchen traf. Beherzt fragte er es, wer es sei und was es hier treibe. Da erwiderte ihm das Männchen, daß es ein Geist aus diesem Berge sei, aber um eines Vergehens willen verdammt wurde, 100 Jahre lang allnächtlich diesen Berg auf und ab zu steigen. Durch seine Frage habe er es erlöst, und zum Danke dafür wolle es den Schatz heben helfen. Reichardt holte nun erst seinen Bruder zu Hilfe. Das kleine Männchen gebot ihnen, beim graben zu schweigen. Darauf fingen sie an zu graben und fanden den Schatz. Doch als sie ihn heben wollten, erscholl aus der Tiefe eine furchtbare Stimme. Dem Gebote nach antworteten sie nicht. Da aber die Stimme drohte, sie zu töten, ward es Reichardts Bruder ängstlich zu Mute und er antwortete, daß sie sich ein frohes Leben verschaffen wollten. Da versank der Schatz mit donnerndem Gepolter. Bis zur jetzigen Zeit hat der unglückliche Geist noch keine Erlösung gefunden.

d) Um ihre Schätze und Kostbarkeiten in gefahrvollen Kriegszeiten zu sichern, bargen die Juden dieselben in der Höhle am Proitschenberge, die noch jetzt die Judenschule genannt wird. Doch als sie eines Tages plötzlich vertrieben wurden, mußten sie daselbst alles im Stiche lassen. Zufällig ging am Tage Ursulae im Jahre 1618 der Seidauer Martin Reike in diese Kluft und sah in derselben eine Tür mit vielen Schlössern und Riegeln, die sich unter furchtbarem Knall von selbst lösten. Zitternd enteilte er der Höhle, deren Eingang sich vor seinen Augen darauf wieder verschloß und deren Stelle und Eingang er nimmer fand.

e) Zur Zeit der Verfolgung der Juden hielten dieselben in der

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: Bautzener Sagen. Verlag Johannes Vieweg, Leipzig 1924, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bautzener_Sagen.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.10.2023)