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Bautzener Sagen

zerstückelt wurde. Seinen Kopf aber hat man in Stein gehauen und an den Toren, wo der Feind gestürmt hat, eingemauert. An der Nikolaipforte ist noch einer dieser Köpfe erhalten.

11. Der Mönch und die Nonne in Budissin.

Zwei sich liebende Nachbarskinder, deren Eltern gegenseitig verfeindet waren, wurden von diesen voneinander getrennt, indem man sie in Klöstern unterbrachte. Trotzdem kamen sie in Budissin heimlich zusammen, wobei sie ihr Klostergelübde vergaßen. Als man die Folgen sah, wurden beide am der Stelle, wo sie gesündigt hatten, lebendig eingemauert. Die zwei Steinköpfe unter dem Fenster am Haupttore der Ortenburg bezeichnen den Ort, wo sie eingemauert worden sind.[WS 1]

12. König Wenzels Blutgericht auf dem Markte zu Budissin.

Am 29. Mai 1405 empörten sich die Bürger von Budissin unter Führung der Tuchmacher gegen den Rat, den sie absetzten und an seine Stelle einen neuen erwählten. Der böhmische Landvogt auf dem Schlosse Ortenburg mühte sich vergebens, Ordnung zu halten. Als dann König Wenzel im Jahre 1409 mit seiner Gemahlin nach Budissin kam, hielt er ein strenges Gericht. Der alte Rat klagte den neuen an, worauf der neue Rat für schuldig befunden und samt den in Bautzen gleichfalls am Aufruhr beteiligten Personen zum Tode verurteilt wurde. Schon waren 13 Köpfe von den 100 Verurteilten gefallen, da schenkte König Wenzel auf Bitten seiner Gemahlin Sophie den übrigen das Leben. Aber in die Verbannung mußten sie wandern samt Weib und Kind. Vor dem Wassertroge des Budissiner Marktes befand sich noch lange Zeit der Stein, auf welchem diese Hinrichtungen stattfanden.

13. Der Dutschmann in Budissin.

Das jetzt an der Südseite des Rathauses befindliche Standbild schmückte früher den Wassertrog auf dem Hauptmarkte. Es stellt einen Mann dar, der in der rechten Hand eine Fahne und in der linken einen Schild mit dem Budissiner Stadtwappen trägt. Man nennt diese Figur unter den Deutschen und Wenden den „Dutschmann”. Die ersteren behaupten, es sei ein wendischer Fürst gewesen, der mit seinem Pferde über den Brunnen hinwegsetzen wollte, samt demselben aber hineinstürzte und ertrank. Die Wenden dagegen sagen, er habe den Sprung glücklich ausgeführt und deshalb habe man ihm das Standbild gesetzt. Nach alten Chroniken soll es aber Held Roland sein, der zu Karls des Großen Zeiten die Heiden und Wenden besiegt und bekehrt habe.[WS 2]

14. Die Wehklage der Wenden.

Die Wenden stellten sich die Boze sedlesko oder Wehklage als ein Wesen in Gestalt eines schönen, weißgekleideten Kindes oder auch einer weißgefiederten Henne vor und hielten es für eine Art Schutzgeist, welches eine bevorstehende Gefahr oder ein bald zu befürchtendes Unglück durch Klagen und Weinen anzeigte und hierdurch davor zu warnen suchte. In Bautzen hatte es seinen Sitz an dem Orte, wo

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ein Lichtbild dieser Steinköpfe ist im Wikipediaartikel zur Ortenburg in Bautzen zu sehen.
  2. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Statue mit höchster Wahrscheinlichkeit um ein in Deutschland übliches und weit verbreitetes Standbild eines Rolands, der als Sinnbild der Stadtrechte galt.
Empfohlene Zitierweise:
: Bautzener Sagen. Verlag Johannes Vieweg, Leipzig 1924, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bautzener_Sagen.pdf/6&oldid=- (Version vom 10.1.2023)