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Bautzener Sagen

3. Die Venus in Budissin.

An Stelle unserer altehrwürdigen Ortenburg stand früher ein Götzentempel. In demselben befand sich die Bildsäule eines schönen Weibes, mit einem Myrtenkranze um den Leib, einer Rose im Munde und einer brennenden Fackel auf der Brust, auf einem Wägelchen stehend, welches von zwei schwarzen Schwänen gezogen wurde.

4. Markgraf Gero tötet dreißig Wendenfürsten.

Als Kaiser Otto den Markgrafen Gero zum Oberbefehlshaber seiner Heere gegen die Wenden gemacht hatte, beratschlagten die Vagrier, Heveller, Obotriten, Uchern und Zusiker, den wegen seiner Tapferkeit und seines Kriegsglückes gefürchteten Helden umzubringen. Auf den verräterischen Zuspruch des leiblichen Bruders Kaiser Ottos beschlossen dreißig Fürsten mit einem Heere den Markgrafen anzugreifen und niederzuhauen. Gero hatte jedoch von ihrer Ankunft und ihrem Plan Kunde erhalten. Er stellte sich, als wäre ihm ihr Anschlag unbekannt, ließ sie zu einem Gastmahl laden und durch einen Hinterhalt bei der Tafel überfallen und töten. Über diese Niederlage der Wendenfürsten haben sich folgende Volksreime erhalten:

„Zu Laußnitz erster Fürst war ich,
Dreißig wendische Herren tötet’ ich,
Stiftet’ Gernrode von eigner Hab’,
Daselbst man sieht noch heut mein Grab.“

5. Der schwarze Hund zu Budissin.

Im 11. Jahrhundert, als die Lausitz noch zu Polen gehörte, lebte in Budissin ein wüster polnischer Graf, der Bürger und Bauern bis aufs Blut geschunden hat, sie nur Hunde nannte und nicht selten ihnen den roten Hahn aufs Gehöfte zu setzen drohte. Als er nach einem wüsten Mahle in toller Wut, von Met berauscht, auf seinem Roß zum Lauentore hinausritt, fiel plötzlich eine Feuerkugel aus dem wunderlich umflorten Wolkenhimmel. Der Rappe bäumte sich, daß der Graf herabstürzte. Am folgenden Morgen fand man denselben mit schwarzem Gesichte und auf den Rücken gedrehtem Kopfe entseelt am Boden. Der Gaul aber wurde von niemand mehr gesehen und man sagt, ein böser Höllengeist habe in dieser Gestalt den Grafen geholt, welcher auch verdammt sei, bisweilen als schwarzer zottiger Hund um Mitternacht am Lauentor zu erscheinen, was jedesmal ein Feuerunglück bedeute.

6. Markgraf Geros Gebot.

Zur Zeit der Hofhaltung Markgraf Geros in Budissin ließ derselbe gebieten, bei Nennung des Namens Jesu den Hut abzunehmen, bei Strafe um ein Pfund Wachs. Im 10. Jahrhundert mochte dieses Gebot den noch immer heidnisch denkenden Wenden gegenüber wohl nötig gewesen sein, da dieselben beim Eingang zur Kirche, einem heidnischen Brauche nach, sich der Sonne zukehrten und dieselbe durch Hutabnehmen grüßten, aber in der Kirche denselben aufbehielten.

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Bautzener Sagen. Verlag Johannes Vieweg, Leipzig 1924, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bautzener_Sagen.pdf/4&oldid=- (Version vom 10.1.2023)