Seite:Baumann Kriegs- und Familienscenen 1813.pdf/157

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Stimmen schrecken mich und alle meine Angehörigen vom Lager auf. Gott sey uns gnädig und barmherzig! Fast 300 rußische Krieger, aus dem rohesten Stande zusammengeraffte Hauffen - Landwehr - umgaben von allen Seiten das Haus. Ich reiße das Fenster auf, aber unsere einander fremdartigen Töne geben weder Auskunft noch Beruhigung. Die Lampe wird meinen Händen entrissen und ein Theil entfernet sich; ich gebe nun Stücken Licht auf Licht, mit diesen eilten nach und nach die Haufen fort und bey jeder Entfernung beruhigte ich mich immer mehr und mehr, ich, der Geängstigte! - Doch der letzte Trupp verlangte Einlaß, die Thüren beben von den Faustschlägen, und mein Herz erbebte gleichfalls. Nichts mehr übrig, ermahnte ich meine Kinder zur Ruhe - ach!! diese Zitternden durften nicht erst dazu aufgefordert werden! beherzt ging ich nun dem zu erwartenden Schicksal entgegen und öffnete die Thüren.[1] Gegen 40 bärtige Männer traten ein,

Empfohlene Zitierweise:
Carl Baumann: Kriegs- und Familienscenen 1813. , Dresden 1815, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Baumann_Kriegs-_und_Familienscenen_1813.pdf/157&oldid=- (Version vom 10.9.2022)
  1. Hier fallen mir einige Bemerkungen ein: Schon als ich im May ausgeplündert wurde, zuckte man die Achseln und bedauerte; als ich im Monat August gänzlich das Meinige verlohr, machte man mir die Verwürfe, warum ich da geblieben und nichts in die Stadt geschafft hätte? - als ich im Oktober bey der Feuersbrunst und Kanonade wieder flüchten mußte, gab man mir die Lehre: es sey nicht gut, seine Behausung zu verlassen. Ich eilte gleich nach aufgehobner Belagerung wieder zu meiner Wohnung, ich überstand diesen russischen Bivouaq, und man versicherte mir: man dürfe in seinen Dingen nicht zu voreilig seyn, und müsse alles erst gehörig und hübsch mit abwarten. Diese Bemerkungen erinnern mich wieder an die Aeußerung jener Fürstin, der man den Brodmangel und die Hungersnoth der Unterthanen vorstellte: „Du lieber Gott!“ rief jene im Gefühle ihres Herzens aus: „warum essen denn die Kinderchen nicht Semmel und holländischen Käse?“