Seite:BaumannImGottesländchen.pdf/73

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Am 14. Juli begaben wir uns über Tjesterziem (Küsterdorf) nach dem 8 Werst entfernten Plonen. Bei Tjesterziem war unlängst ein Schiff vom Stapel gelassen worden, das sich jetzt auf den Fluten der See wiegte. Vor Plönen und besonders bei diesem Orte erreichten die bewaldeten Dünen eine beträchtliche Höhe. Dort stiegen wir hinan zum Fried­hofe auf den Dünen. Gegen 20 Kreuze führten den Namen Tuomel. Diese Familie muß hier stark vertreten sein. Plönen bildet für den Juli den Aufenthaltsort des Adels aus der näheren und weiteren Umgegend. Als Badeort soll das Dorf seit 1810 aufgekommen sein, wo sich die Kaiserin Elisabeth im Sommer auf dem mehrere Werst landeinwärts gelegenen Kronsgute Plönen aufhielt und täglich zum Strande gefahren kam, um hier ein Bad zu nehmen. Für die hohe Frau sei zu diesem Zwecke damals ein besonderer Weg durch den Ufersand gemacht und mit Bäumen bepflanzt worden. Jenseit der Dünen erblickten wir, rings um das Kurhaus gruppiert, die Villen der kurischen Adligen. Am Abend hatten sie einen großen Ball. Bis nach Mitternacht umstand eine Menge von Fischern und Juden, deren es am Orte viele gab, das Kurhaus, durch die Fenster dem Getriebe und Gewoge der adligen Herren und Damen zuschauend. Musiker spielten zum Tanze auf. Während die jüngeren Herren vom Adel mit rosigen, duftigen Edelfräulein im Saale umherschwebten, saßen in den Saalecken an langen Tischen die würdigen Mütter, ihre Lieblinge beobachtend und Tee schlürfend. Im Nebenzimmer hatten die Herren Väter an mehreren Spieltischen Platz genommen. In später Nachtstunde stieg ich auf die hohen Dünen und warf einen Blick auf das Meer. Wie eine zaubervolle Masse, von Wolken bedeckt — nur stellenweise brach das Mondlicht durch — wogte es hin und her. Deutlich sah man in der Ferne das Feuer von Markgrafen, und auf der See waren Fischer. Auch ein uns bekannter Wirt tat einen Zug und fing gegen 270 Band

Empfohlene Zitierweise:
Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/73&oldid=- (Version vom 13.12.2020)