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Grabstätte ließ sich nicht finden, und daher begaben wir uns durch Feld und Wald zum Kaluaraj-Gesinde, dem letzten der Ssuiten nach Edwahlen zu. „Kaluaraj“ bedeutet Berglandmann, und das Gesinde lag auf einem Berge. Dort erstanden wir von einem Mädchen eine Ssakta und ein Paar buntgestrickte Strümpfe, die ein originelles, farbenreiches Muster zeigten. Diese Gegenstände entnahm sie ihrem Aussteuerkasten, dem „Puhrs". — Als der Abend dämmerte, begaben wir uns auf den Heimweg. Der letzte bemerkenswerte Ort am Wege war der Osolkalns (Eichenberg), der höchste[1] in dieser Gegend, den wir auch bestiegen. Schaurig rumorte oben der Wind im Gebüsche, während der Himmel überall mit großen dunklen Wolken bedeckt war; nur meerwärts zeigte sich am Horizonte an einer Stelle die Abendröte, die ein klein wenig das Dunkel erhellte. Um 11 Uhr nachts erreichten wir unser Heim, und süß war die Ruhe nach dem anstrengenden Wandertage. — Die alten Sitten fangen auch in Alschwangen allmählich an zu schwinden, an ihrem katholischen Glauben[WS 1] aber halten die Bewohner des Gebiets zähe fest und suchen sogar die umwohnenden Lutheraner zum Übertritt zu bewegen, was ihnen auch manchesmal gelingen soll. Mir kam in Edwahlen ein lettisch geschriebenes Büchlein zu Gesicht, dessen Zweck darin bestand, die katholischen Letten vor dem Eingehen von Mischehen zu warnen. — Der Dialekt von Alschwangen und Edwahlen ist der tahmische, und einige Wörter unterscheiden sich sehr vom Schriftlettischen. So gebraucht man hier „buhju" für „biju“ (ich war), „ziers“ für „zirwis“ (Beil), „buors“ für „burwis“ (Zauberer) u. s. w. In alten Zeiten haben hier Liven gewohnt. Manche Ortsnamen sind noch jetzt rein livisch, z. B. der Gesindenamen „Pujalg“ (Holzfuß).

  1. Die Bodenerhebungen des Alschwangen-Edwahlenschen Gebiets gehören dem Amboten-Windauer Höhenzuge an.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Glanben
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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/117&oldid=- (Version vom 20.8.2021)