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Und seufzt’: „Ich arme Maid!
Was blinket ihr, o holde Sterne?
In seinem Aug’ sah ich euch gerne,
Doch jetzt ist er so fern, so weit!“

15
An jedem Abend kniet sie

Vor dem Madonnabild:
Maria, schütz’ den Waller,
Er ist so fromm, so mild!
Er zieht dahin am Pilgerstabe,

20
An deines Sohnes stillem Grabe

Will beten er von Reu’ erfüllt.“

Es sicheln sich die Monde,
Zwei Jahre wohl vergehn;
Sie schaute von dem Söller,

25
Und konnt’ ihn nicht erspähn.

Sie steigt so bang und traurig nieder:
„Wann kehrest du, Geliebter, wieder?
Willst deine Maid du nimmer sehn? –“

Einst in des Traums Gefilden

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Maria ihr erscheint:

„Dein Ritter ist gefallen;
Der Tod hat ihn vereint
Mit Jesu, für das höh’re Leben
Hat er sein Heldenblut gegeben;

35
Der Arme hat jetzt ausgeweint.“


Und als sie drauf erwachte,
Rief sie: „Was weil’ ich hier
Auf dieser Erd’ alleine?
Nimm mich hinauf zu dir!

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Hier ist’s so öd’, bin so verlassen,

Will, ach! so gern um dich erblassen,
Hier traur’ ich einsam für und für. –“

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 610. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_610.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)