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Da kam rings jedes Vögelein heran

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Und hing die Flüglein, als der Himmelsmann

Ihr stilles Grab zu graben nun begann.

Da kamen Hirsch dazu und Elenn’ auch
Mit ihren Schaufeln aus dem grünen Strauch,
Und gruben allda mit, nach Menschenbrauch.

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Und als sie in der Ruhestätte war,

Trug jeglich Thier ein grünes Zweiglein dar,
Die Vöglein aber Blumen in ihr Haar.

Der Engel legte dann den Stein hinauf
Und schrieb sodann der Frommen Lebenslauf

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Mit wunderbarer Flammenschrift darauf. –


Einst jagte Grißo einen Hirsch zu Wald,
Der machte bei Friedhildens Grabe Halt,
Des Jünglings Speer verlor da die Gewalt!

Denn als er mächtig ihn erhub und da
Die wunderbare Schrift am Grabe sah,
War ihm Friedhildens Friedenszauber nah,

Und schuf ihn um, den Kühnen, daß er gleich
Abschwur die Götzen; fromm und mild und weich,
Er baut ein Kloster da: das Himmelreich.

That Buße drin und schor sein blondes Haar,
Und lebt im Himmelreiche[WS 1] manch ein Jahr,
Bis dann sein Ende wie Friedhildens war.

August Kopisch.

*) Die ursprüngliche Sage berichtet, daß Grißo, nachdem er sich taufen ließ und den christlichen Namen Lukas angenommen, eine Einsiedelei neben dem Grabe der Geliebten erbauen ließ, darin er Gott aufs Eifrigste diente, verirrte Wanderer mit Speis’ und Trank erquickte und sie wieder auf den rechten Weg wies. Zahlreiche Wallfahrer pilgerten zu der Zelle des heiligen Mannes, und als ihn eines Tages ein Engel Gottes von dieser Welt genommen, ward an der Stelle, wo seine Siedelei stand, zum Andenken seiner wunderbaren Bekehrung eine Kapelle erbaut und dem heiligen Michael gewidmet, wovon der Berg den Namen Michaelsberg erhielt. Ausführlicher erzählt dies folgende Legende von F. W. Krummacher.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Himelreiche
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 603. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_603.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)