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da des Kampfes noch kein Ende war, als er in einer Schlacht, abgeschnitten von den Seinen, in die Hände des Feindes fiel. Dieser, grimmig über die ausgezeichneten Kriegsthaten des jungen Helden, welcher Schaaren von Ungläubigen den Tod gebracht hatte, schloß ihn in eine Höhle ein, die einst der Aufenthalt wilder Thiere war. Zwei Tage verlebte hier Edelruth ohne die mindeste Nahrung, bis er endlich oben an der einzigen Oeffnung, welche sein Kerker hatte, ein liebliches Gesicht erblickte, worauf ihm eine schöne Hand drei Pfirsiche herab warf, und ihm, während zugleich ein Seil von oben herunterglitt, eine zarte Stimme zurief: „Zwei Diener harren meines Winkes; steig’ herauf und folge mir in jene stille Thäler, wo wir uns ungestört der Liebe freuen können.“

Aber der Ritter antwortete: „Nur in meiner Heimath kann ich Liebe finden; doch wenn Du edel gesinnt bist, so rette mich!“ – „Nur Liebe zu mir kann Dich retten!“ – entgegnete die Stimme – „nur in meinen Armen lächelt Dir die Freiheit!“ – „Nur wer Treue übt,“ – erwiederte der Gefangene, – „ist wahrhaft frei; und so wahr ich ein Ritter bin, werde ich mein Gelübde nicht brechen!“ – Da verschwand die Erscheinung und tiefe Sehnsucht ergriff Edelruth von Neuem nach der fernen Geliebten.

Auch diese hatte unterdessen schwere Kämpfe zu bestehen; doch wankte ihre Treue gegen den Erkorenen nicht einen Augenblick. Als endlich die flehendsten Bitten nichts mehr über ihren harten Vater vermochten, und er sie zur Vermählung mit dem Grafen von Zwingenberg zwingen wollte, entfloh Minna aus der väterlichen Burg, nur von einer getreuen Zofe begleitet.

Sie bestiegen einen Nachen und fuhren im Dunkel der Nacht den Strom hinab. Gegen Morgen kamen sie an den schroffen Abhang eines Berges, dessen Gipfel von uralten Fichten bedeckt war. Hier landeten sie, um einen Zufluchtsort zu suchen und gaben den Nachen den Wellen preis. Durch das dichteste Gebüsch stiegen die zarten Frauen, die felsigen Pfade hinan und scheuten keine Mühe, bis sie endlich eine Höhle fanden, worin Minna, bis zur Rückkehr ihres Ritters, zu wohnen beschloß. Ihre Zofe sorgte für Herbeischaffung von Nahrungsmitteln aus den benachbarten

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 589. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_589.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)