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Sie weigerte sich deß standhaft, mit der Erklärung, ihr Leben sey fortan nur Gott geweiht, da sie dieser Welt auf immer entsagt habe.

Schäumend vor Ingrimm, will sie der Vater vom Kreuze hinwegreißen, das sie umklammert hielt. Siehe, da blieb der Arm, an dem er sie gepackt hatte, in seiner Hand; schaudernd ließ er ihn zu Boden fallen und floh, wie von bösen Geistern gehetzt, nach seiner Burg zurück.

Notburga lebte von nun an ruhig in ihrer Höhle, bis der Herbst kam und die welken Blätter niederraschelten. Da schwebten Engel herab und wiegten die fromme Jungfrau in den ewigen Schlummer. Aber ihre Seele trugen sie, nachdem sie deren starre Hülle mit weißen Rosen überstreut, hinauf in die Gefilde der göttlichen Freuden. Vieles Volk strömte herbei, denn man hatte schon von fern die ganze Nacht hindurch ein helles Leuchten über der Höhle gesehen. Zwei schneeweiße Stiere, die noch kein Joch getragen, wurden an einen neugezimmerten Wagen gespannt und die Leiche darauf gelegt. Die Stiere ließ man den Weg selber wählen, den sie einschlagen wollten, und sie führten den Wagen nach dem Dorfe Hochhausen, auf die Stelle, wo die jetzige Kirche steht; dort wurde Notburga beigesetzt. Der Hirsch war und blieb verschwunden.

Notburga wird vom Volke gewöhnlich die Kraichgauer Heilige genannt und die Leute in der Gegend zeigen noch auf dem Felde die Spuren des Weges, welchen der Hirsch von Hornberg aus nach der Höhle zu nehmen pflegte.

Dieselbe ist noch vorhanden. Sie wird von einem Kalkfelsen gebildet, der am linken Ufer des Neckars sich erhebt, wurde aber schon größtentheils von dem Strome und seinen Eisgängen zerstört. Wenn man den Namen der Heiligen, der Höhle gegenüber, ausruft, so wird er, wie von einer leisen Geisterstimme, wiederholt.

(Die Legende von der heiligen Notburga, deren Gründung in dem Siege des Christenthums über das Heidenthum besteht, findet sich mit kleinen Abänderungen vielfach verbreitet. Grimm, Jäger und Kaufmann erzählen dieselbe, in ihren Führern durch das Neckarthal, mit unbedeutenden Abweichungen, den deutschen Sagen der Brüder

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_587.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)