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Der wachsende Stein.[1]

Am Ranft der Kraich im Thale
Tritt aus der Wand ein Stein
Und wächst mit seinem Leibe
Bald in die Kraich hinein.

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Er wächst seit Mannsgedenken:

Mit jedem neuen Jahr
Stellt größer er und höher
Und mächtiger sich dar.

Man weiß nicht, was ihn wachsen

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Und vorwärts rücken macht,

Auch wächst er nicht am Tage,
Er wächst nur in der Nacht.

Man glaubt drum auch vom Steine,
Er sei des Teufels Stein,

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Der trage dort allnächtig

Manch frische Seel’ hinein,

Und lade von den Seelen
Die Sünden allzusamm,
Der Pack von Sünden gebe

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Stets einen größern Damm.


Den Sündendamm bedecke
Als Hülle nur den Stein,
Und nur der Teufel könne
Zum Steine aus und ein;

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Und sei vom Stein durchwachsen

Die Kraich, so schwell’ sie an,
Bis endlich ihre Wasser
Gebrochen sich die Bahn.


  1. Dieser Stein, der mehrere Kubikklafter Mächtigkeit hat, liegt oder vielmehr steht als Ausläufer der niedrigen Thalwand am Wege zwischen Flehingen und Gochsheim, und soll (dicitur) wachsen etc.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_415.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)