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ergriff die Flucht. Jammernd eilte und rief sie ihm nach, er möge doch zurückkehren und sie erlösen, weil der Baum zur Wiege des nächsten Menschen, der sie wieder erlösen könne, noch nicht einmal gepflanzt sey; allein der junge Mann floh über Hals und Kopf, bis er drunten in der Stadt war.

7. Als der Durlacher Geishirt eines Tages seine Heerde auf dem Berge weidete, kam zwischen Eilf und Zwölf vom Thurme her eine vornehm gekleidete Frau zu ihm, die einen langen Stab von gediegenem Gold in der Hand trug, und bat ihn, sogleich nach Durlach zu gehen und dem Stadtrathe zu melden, daß die der Stadt längst fehlenden, verloren gegangenen Aktenstücke und Urkunden über ihre Gerechtsame hier oben sich befanden, weßhalb Jemand vom Rathe heraufkommen und sie von ihr in Empfang nehmen solle. Der Hirt, ein alberner Mensch, weigerte sich hartnäckig, seine Heerde zu verlassen, obgleich die Frau inständig flehte und ihm den goldenen Stab zur Belohnung dieses Dienstes versprach. Ueber diesem Hin- und Herreden schlug es drunten Zwölf Uhr; worauf die Frau in lautes Jammern ausbrach, daß sie nun abermals noch so lange unerlöst bleiben müsse, und nach dem Thurme zurückging. Als der Hirte bei seiner Heimkunft am Abend die Sache anzeigte, begaben sich sogleich mehrere Rathsglieder auf den Thurmberg, konnten aber weder Frau noch Urkunden auffinden.

8. In dem Burgbrunnen war ein schwarzer Mann eingemauert, den man einst aus Weingarten in einer Butte hinaufgebracht und hineingebannt hatte. Als später die Brunnenmauer verfiel, konnte das Gespenst heraus und es pflegte nun bei Nacht hinauf zum Thurm und zurück in den Brunnen zu gehen. Als es einmal wieder in demselben war, stellte man die Mauer schleunigst wieder her, so daß der schwarze Mann jetzt nimmer herauszukommen vermag.

9. Bei dem Burgbrunnen ist schon am Tage zuweilen eine Schlange mit einem Gebund Schlüssel um den Hals gesehen worden und um Mitternacht ein geharnischter Ritter, welcher starr und unbeweglich da stand. Ebendaselbst gehen manchmal

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_368.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)