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Rath noch Trost. In der Trauer ihres Herzens eilte sie dann hinunter zu dem Grab ihrer Eltern und betete und weinte, daß es einen Stein erweichen hätte mögen. Da stund plötzlich das Bergweiblein neben ihr und fragte nach der Ursache ihres Grames. Als ihr Klärchen Alles erzählt, was vorgefallen war, verfinsterte sich das sonst so gutmüthige Gesicht des Bergweibleins und es sagte: „Sey nur ruhig und getrost, es soll dir schon geholfen werden! – Sprachs und riß einen Arm voll Nesseln aus dem Grabe und verschwand damit vor Klara’s Blicken. Diese ging mit erleichtertem Herzen zur Ruhe.

Kurze Zeit nachher jagte der Vogt im Forst über der Murg und kam zufällig auch an den Rockenfels. Dort saß das Bergweiblein am Eingang seiner Höhle und schnellte recht wacker die zierliche Spindel.

„Du spinnst dir wohl ein Brauthemd, du graue Schönheit?“ – lachte der Vogt.

„Ein Brauthemd und ein Todtenhemd, Herr Vogt, zu dienen!“ – versetzte das Mütterchen.

„Du hast ja da gar einen schönen Flachs; den hast du gewiß irgendwo gestohlen?“

„Mit nichten! dort unten ist er gewachsen auf einem armen Bauerngrabe!“

Den Vogt überlief es kalt. Die Jagd war ihm nun entleidet und er kehrte sogleich mit bangem Herzen nach Eberstein zurück, mit sich selbst im Kampfe, ob er das Jawort zu Klärchens Heirath geben solle oder nicht. So vergingen einige Tage, ohne daß er zu einem festen Entschlusse gelangen konnte. Gegen Abend, als er eben beim vollen Humpen im Rittersaal seine ängstlichen Gedanken nieder zu trinken versuchte, erschien Klara, zwei zierliche Hemden auf dem Arme tragend.

„Herr Vogt,“ – sagte sie – „Eurem Verlangen ist nun willfahrt. Hier sind die zwei Hemden aus den Nesseln von meiner Eltern Grabe; das eine für Euch und das andere für mich! Jetzt haltet aber auch Ihr Euer gegebenes Wort!“

„Das will ich gewiß, das will ich!“ – stotterte der Vogt, dem es ganz unheimlich zu Muthe war, – „morgen soll deine Hochzeit seyn!“ – In der That gab er auch sogleich dem Schloßgärtner die Erlaubniß zur Trauung mit Klärchen und

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_302.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)