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Einst führte die Jagd einen Ritter daher,
Verirrt in dem einsamen Wald;
Ihn quälte der Durst und die Hitze gar sehr,
Die Kräfte versagten ihm bald.

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Er wankte so müde das Thälchen entlang,

Zu forschen nach labendem Quell,
Da plötzlich vernimmt er, o himmlischer Klang!
Ein Rieseln aus heimlicher Stell’.

Er bricht durchs Gestrüppe sich eilige Bahn,

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Doch bleibt wie gebannt er bald stehn:

Dort lächelt das reizendste Mägdlein ihn an,
Die je noch sein Auge gesehn.

Am Borne dort sitzt es, auf moosigem Rand,
Und schöpft aus den Wellen so klar

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Ein goldenes Schälchen mit zierlicher Hand,

Und bietet dem Ritter es dar.

Der schlürfet mit gierigen Zügen den Trank,
Doch kaum ist der Becher geleert,
So fühlt er im innersten Herzen sich krank,

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Von glühender Liebe verzehrt.


Nicht spielt sie die Spröde, nicht bebt sie zurück,
Da kosend sein Arm sie umschließt,
Die Minne verheißt ihm das seligste Glück,
Das sehnenden Herzen ersprießt.

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„O Liebchen! und liebst du mich innig und wahr,

So reich’ mir als Gattin die Hand,
Auf ewig vereinige uns am Altar
Der Kirche geheiligtes Band!“

Ein Klausnerkapellchen ist nahe dem Ort,

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Da führt er die Sträubende hin;

Wohl flüchtete gerne sie wieder sich fort,
Doch läßt er sie nimmer entfliehn.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 280. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_280.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)