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Endlich kam Diether zu einem Entschluß. Er hieß seinen Sohn eine Axt herbei holen und fing damit an, die Rinde an jener Stelle weg zu hauen, wo das Tönen am deutlichsten zu vernehmen war. Kaum aber waren einige Hiebe in den Baum gethan, so sprang ein großes Stück Rinde heraus und beim Schein ihrer Lampen erblickten sie jetzt in dem Eichenstamm eine Blende und darin ein Marienbild mit dem Jesusknaben, von welchem dies wunderbare Klingen ausging. Unwillkürlich stieg bei diesem Anblick in Diether der Gedanken auf, der Himmel habe durch dieses Wunder ein Zeichen geben wollen, daß an dieser Stelle die Pest ihr Ende gefunden habe. Dankend und in frommer Demuth knieeten jetzt Vater und Sohn vor dem Bilde nieder und verrichteten ihre Andacht.

Bald verbreitete sich das Gerücht von dem wundervollen Gnadenbild in dem Dorfe und bis in die Stadt, und da zu gleicher Zeit aus den umliegenden Orten die Nachricht einlief, daß die Pest überall plötzlich nachgelassen habe, so bekam die Sage noch mehr Gewicht und die gläubige Menge strömte schaarenweis herbei, das Wunder zu schauen. Sogar in das verpestete Haus wagten sich einige herzhafte Männer. Sie fanden dessen Bewohner entseelt auf dem Boden liegen und neben ihm das Wassergefäß. Der Leichnam ward zur Erde bestattet, das Haus aber niedergerissen.

Als im Jahr 1650 die alte Eiche abzusterben anfing, ließ die damalige Markgräfin, Maria Magdalena, zweite Gemahlin Ludwig Georgs, eine geborne Gräfin von Oettingen, den Baum von den Aesten an abnehmen und über dem Stamm eine Kapelle bauen. Mariatrost nannte sie die fromme Stifterin, aber der Namen ist außer Gebrauch gekommen und sie wird allgemein die Drei-Eichenkapelle genannt von den drei Eichen, die daneben gepflanzt wurden.

Noch jetzt steht der Eichenstamm hinter dem Hochaltar und in seiner Blende das Marienbild. Das Gemälde an der Decke der Kapelle bezieht sich auf die Sage von der Entstehung des Kirchleins: es stellt die heilige Jungfrau vor, zu welcher die Pestkranken ihre Zuflucht nehmen.

Al. Schreiber.
(Vergl. „Sagen aus Baden und der Umgegend.“ Karlsruhe 1834.)
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_241.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)