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Ins Schloß hin zu dem Fürsten geht!
Hat er mich einst geehret,
Sein edler Sinn, der stets besteht,
Die Bitte mir gewähret.

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„Ich fordre ja mein Leben nicht,

Nur meiner Seele Frieden;
Bevor mein sterbend Auge bricht,
Sey mir die Frist beschieden,
Ein Bild zu schaffen noch, – mir ist,

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Als sollt’s mein bestes werden;

Das hehre Bild, wie Jesus Christ
Einst starb für’s Heil der Erden.“

Der alte Schließer weinend geht,
Der Fürst erhört die Bitte.

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Ein hohes Felsenstücke steht

Bald in des Kerkers Mitte;
Am Stein der Meister niederkniet
Mit Meißel und mit Hammer,
Ein heil’ger Drang die Brust durchglüht,

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Zum Tempel wird die Kammer.


Drauf täglich bis zum Dämmerschein
Sieht frisch man ihn sich regen,
Der Meißel brennt, es klirrt der Stein
Von seinen kräft’gen Schlägen;

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„O friedensel’ges Wunderbild,

Im Felsen hier verborgen,
Bald stehst du da, verklärest mild
Dann meinen letzten Morgen!“

Wie rinnt der Schweiß die Stirn herab!

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Da sinken Schuld und Fehle,

Als trieb auch sie sein Meißel ab,
Gleich Schlacken von der Seele;
Was unerkannt im Busen lag,
Fühlt mächtig er erstehen,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_197.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)