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In dem Münster liegt sie Abends,

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Eine Blumenkron’ im Haar,

Wie am Thurme gestern, brennen
Lampen heut um ihre Bahr’. –

Hugo hört die Trauerkunde,
Doch sein Herz erträgt es nicht,
Nimmermehr sieht man ihn lächeln,
Bis sein Aug’ im Tode bricht.

Auf die Trümmer seiner Veste
Kehrt sein Geist noch oft zurück,
Blickt dahin zum grauen Münster,
Wo begraben liegt sein Glück.

Aloys Schreiber.


8) Das Fräulein von Windeck.[1]

Hoch auf dem granitnen Thurme
Schaut der Jungfrau Geist zu Thal,
Nicht im Dunkel, nicht im Sturme:
In des Maitags erstem Strahl;

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Eine Himmelsblume, glänzend

In des Frühlings Blüthenrund,
Ihren Goldpokal kredenzend
Jedem frohen Menschenmund.

„Weil ein Maitag mich entnommen

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In den Mai der Ewigkeit,

Lockt es mich herab zu kommen
Mit der frohen Blumenzeit.
Keiner Engel Hymnen schallen,
Keine Palmen lohnen hier,

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Aber meine Nachtigallen,

Meine Rosen blieben mir!“

Sinnend schaut sie in die Tiefen:
„Viele kehrten bei mir ein,
Die mit mir zum Heil entschliefen,

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Sangen hell durch Thal und Hain;

  1. [155] Vergleiche mit dieser Romanze „Das Burgfräulein von Windeck“ von Al. Schreiber, Seite 151 ff.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_154.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)