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Wie eine Blume, kaum erwacht,

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An ihres Stammes Blättermacht.

Sie ruht ihm müd’ und matt im Arm,
Er führt sie weg vom Tänzerschwarm;
Er wiegt sie schaukelnd auf den Knie’n,
Doch scheu und bebend will sie fliehn.

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Sie eilt zu Wald und Fels hinauf,

Er faßt sie sanft in ihrem Lauf.
Sie seufzt: „Der strenge Vater droht;
In seinem Hause wohnt der Tod.
O blieb’ ich Brust an Brust bei dir,

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Und Beide liebend stürben wir,

Doch weh, mein Herz so wach und voll,
Und keine Seele lieben soll!“

„Hab’ ich nicht Büchs’ und Fänger hier?
Nicht fürchten Tod und Hölle wir!“

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– „Der Nix im See, mein Vater dort,

Und Menschenliebe, bringt mir Mord;
Die Morgenröthe trinkt mein Blut,
Bin ich bei ihm nicht in der Fluth.
Es tagt, es tagt – ich sterben muß – –

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O gib mir noch den letzten Kuß!“ –


Der Drossel froher Ton verhallt,
Und zornig braußt der Tannenwald;
Im Halbkreis starrt die Felsenhöh’,
In ihrem Kessel stürmt der See.

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Und aus des Jünglings Armen reißt

Die bleiche Braut der greise Geist;
Er wirft sie donnernd in die Fluth,
Die blutig dann im Frühglanz ruht.

Der Jäger sitzt am Wogenschein

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Und schaut mit starrem Haupt hinein;

Vom Gipfel blickt der Auerhahn,
Vom Schilf der Hirsch ihn sicher an.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_116.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)