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Verheißungen, das Werkzeug seiner Befreiung zu seyn. Rublin hatte seinen Gefangenen nicht gekannt, und von seinem Herrn, als er ihm die Stelle des verstorbenen Thurmhüters übertrug, das Verbot erhalten, sich bei Lebensstrafe in kein Gespräch mit ihm einzulassen. Als er nun vernahm, daß er, ohne es zu wissen, der Kerkermeister seines Herrn gewesen, fiel er ihm zu Füssen, bat ihn um Vergebung, und versprach, ihm herauszuhelfen. Wäret Ihr, sprach er – nicht mein natürlicher Herr, so würde kein Geld noch Gut mich bewegen, Euch zu Willen zu leben. – Nun erwartete Walther mit Ungeduld den Tag seiner Erlösung, der nicht lange mehr ausblieb.

An dem hl. Pfingstfeste, da Ritter Diebolt abwesend und der größte Theil der Burgleute nach Selbach in die Kirche gegangen war, kam Rublin in das Gefängniß, nahm Walthern seine Ketten ab, und entschlüpfte mit ihm in einen entlegenen Winkel des Zwingers. Hier klommen sie auf die Mauer, woran er ein starkes Hasengarn befestigte, das die Stelle einer Strickleiter vertrat, an welcher Beide sich glücklich hinunter ließen.

Walther war einem Todtengerippe ähnlich; seine Beine konnten ihn kaum tragen und hatten fast das Gehen verlernt. Dieses bewog seinen Retter, den gebahnten Weg zu verlassen, wo man sie wegen der Langsamkeit ihres Zuges leicht hatte einholen können, und sich seitwärts in eben die Waldungen zu schlagen, durch welche der Ritter einst so lange herumgeschleppt wurde. Sie wanden sich durch die wildesten Hecken und durch das unwegsamste Dickicht, und erquickten sich von Zeit zu Zeit mit dem Wein und den Speisen, die Rublin mit sich genommen hatte. Endlich erreichten sie um Mitternacht das Burgthor von Hohengeroldseck. Walther hatte vier zum Theil erwachsene Söhne zurückgelassen; diesen wollte er sich zuerst entdecken, um zu verhüten, daß sein plötzliches Erscheinen und seine armselige Gestalt seiner Gemahlin einen Schrecken verursache. Als ihn daher der Thorwart nach seinem Namen fragte, gebot er ihm, den vier Junkern zu sagen, sie möchten herunter kommen, indem sie ein Fremder einer wichtigen Kunde wegen insgeheim sprechen wolle. Nach einigen Minuten erschienen die vier Jünglinge, mit Dolchen bewaffnet, vor der Pforte, und fragten den Fremdling[WS 1],


  1. Vorlage: Fremling
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_011.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)