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Walther von Geroldseck.[1]

Ritter Diebolt, genannt Geroldseck, weil er das Schloß dieses Namens bewohnte, stammte aus einer Nebenlinie des Geroldseckischen Hauses ab. Er war ein böser, neidischer und rachgieriger Mann, der aber seine Tücke gar meisterlich zu verbergen wußte. Drei Jahre lang trug er einen heimlichen Groll gegen Ritter Walthern, den Burgherrn zu Hohengeroldseck, im Herzen, weil dieser ihn bei einem Schimpfspiel vom Rosse geworfen, und bald darnach, als Schiedsmann seines Widerparts, in einer ungerechten Sache gegen ihn gesprochen hatte.

Eines Tages ging Herr Walther ganz allein, blos von seinem Hunde begleitet, auf die Jagd. Er durchstrich die Waldungen, die sich, von dem Fuße seiner Burg an, Meilen weit durch das Thal erstreckten, und gedachte nun, da er kurz zuvor das Lager einer trächtigen Hindin ausgespürt hatte, seinen Junkern mit einem kleinen Reh eine Kurzweil zu machen. Diebolt hatte einen Buben, der ein gar schlauer Wicht war, und viele Tage lang, als ein Betteljunge verkleidet, um das Schloß Geroldseck herstrich, damit er den Augenblick, da Walther allein ausgehen oder ausreiten würde, ablauschen und seinen Herrn davon benachrichtigen könne. Dieses war in langer Zeit nicht geschehen, und als ihm der Bube die Botschaft brachte, freute er sich so sehr darüber, daß er ihm einen Goldgulden schenkte. Hierauf nahm er vier handfeste Männer von seinen Leuten zu sich, mit denen er in den Forst eilte, wo er Walthern zu finden hoffte. Er und seine Gefährten waren vermummt, und er hatte ihnen den strengsten Befehl gegeben, kein Wort zu sprechen. Mehr als eine Stunde lang durchstreiften sie das Dickicht, ohne den Ritter anzutreffen; endlich fanden sie ihn am Fuße einer Eiche sitzend, wo er einen Kuchen verzehrte, den seine Gemahlin, Frau Hedwig, des Abends zuvor gebacken und ihm in seine Jagdtasche gesteckt hatte. Als der Hund in dem Gebüsch ein Geräusch vernahm, sprang er auf und fing


  1. S. Bernhard Herzogs Elsäßer-Chronik, Straßb. 1592. 5tes Buch, S. 120 ff.
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_008.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)