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Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38)

möglich; und wo die zweite fehlt, da ist die dritte wie mit Zügeln festgehalten.

Wenn die Gnade im Menschen mächtig wirkt, so verachtet er die Todesfurcht aus Liebe zur Gerechtigkeit und findet in sich viele Beweggründe dafür, daß es sich gebühre, um der Furcht Gottes willen Leiden zu ertragen. Diejenigen Dinge dagegen, welche als schädlich, nämlich für den Leib, angesehen werden, aber nur zufällig die Natur berühren und ihr nur durch äusserliche Verbindung mit derselben Schmerz bereiten, hat er schon im Vergleich mit der zukünftigen Hoffnung als ein Nichts erkannt. Auch ist er im Geiste fest davon überzeugt, daß es unmöglich sei, die Wahrheit zu erkennen, ohne die Bewährung durch Leiden auf sich zu nehmen. Daß sich Gott der Menschen mit großer Sorgfalt annimmt, und daß sie nicht dem Zufall überlassen sind, insbesondere Diejenigen, welche Ihn suchen und um seinetwillen Leid erdulden, sieht er so deutlich, als ob er mit dem Finger darauf zeigen könnte.

Wenn aber bereits die innere Leerheit überhand genommen hat, so findet man von allem eben Genannten das Gegentheil. Dann wird dir unaufhörlich von Denen, welche dir auflauern, um im Dunkeln Pfeile auf dich abzuschießen, zugeflüstert, die Erkenntniß sei besser als der Glaube, weil sie auf Untersuchung beruhe, das Vertrauen auf Gott bringe nicht immer Heil, und Gott sei nicht so besorgt für dich, als man annehme.

Der Anfang des wahren Lebens für den Menschen ist die Furcht Gottes. Wenn man sich aber der Zerstreuung durch irdische Dinge hingibt, so kann man sich auf ihr Verbleiben in der Seele nicht verlassen. Denn das Herz wird durch die Thätigkeit der Sinne von der Süßigkeit, die es in Gott findet, abgezogen, indem die innerlichen Regungen durch die Sinne, welche ihnen dienstbar sein sollten, an der Wahrnehmung ihres Objektes gehindert werden.

Die Getheiltheit des Herzens bringt Furcht über die Seele; aber der Glaube vermag den Geist sogar bei Abschneidung der Glieder stark zu erhalten.

Empfohlene Zitierweise:
Isaak von Ninive: Ausgewählte Abhandlungen des Bischofs Isaak von Ninive (Bibliothek der Kirchenväter, Band 38). Jos. Koese’lsche Buchhandlung, Kempten 1874, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BKV_Erste_Ausgabe_Band_38_293.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)