Stiehler, Bernhard: Aus der Vergangenheit der Kinderbesserungsanstalt Marienhof zu Trachenberge bei Dresden | |
|
Arbeit gehen und die Kinder zu Hause ohne Aufsicht lassen.“ – Nach dem Reskripte vom 20. Oktober 1825 sollte also der Anstalt die doppelte Aufgabe zufallen, verwahrlofte Kinder zu bessern, dann aber auch durch Aufnahme aufsichtsloser Kinder der Verwahrlosung derselben vorzubeugen, eine Aufgabe, die seiten der damaligen Armen-Kommission als nicht ausführbar bezeichnet wurde und die erst in unserer Zeit in der Gründung der Kinderhorte ihrer teilweisen Lösung entgegen zu schreiten scheint. Die Armen-Kommission war der Ansicht, daß der Wirkungskreis der zu errichtenden Anstalt, wie dies in späteren Berichten noch mehr klargestellt wird, ein dreifacher sein müsse. Sie ward 1. bestimmt zur Detentionsanstalt für Kinder, die sich in Untersuchungshaft befanden; 2. sollte sie als Strafanstalt für verurteilte Kinder dienen, und 3. lag der Schwerpunkt ihrer Thätigkeit in der Korrektion solcher Kinder, gegen welche das Besserungsverfahren eingeleitet worden war. Über die bei Gründung der Anstalt maßgebenden Gesichtspunkte verbreitet sich nun des weiteren der von der Armen-Kommission an die Landesregierung am 30. März 1826 abgegebene Bericht, welcher einleitend Bezug nimmt auf die dem Reskripte beigefügte Schrift des Legationsrats Falk: „Aufruf an die Landstände des Großherzogtums Sachsen-Weimar, an das ganze deutsche Volk und dessen Fürsten.“
Der durch Falk’s Schrift ins Leben getretene Verein der „Freunde in der Not“ hatte sich die Aufgabe gestellt, „aus der Schule Entlassene, die wegen Armut oder anderer Umstände keinen Beruf erwählen, sondern sich dem Vagabondieren, dem Bettel zuwenden und unnütze, gefährliche Mitglieder des Staates werden, zur Erlernung eines nützlichen Gewerbes vermocht werden und entsprechende Unterstützung erlangen“. – Der Bericht besagt, „eine ähnliche Fürsorge habe bei der Armen-Kommission bereits gewaltet, besonders für aus dem Waisenhause Entlassene, deren Erziehung und Fortkommen der Armen-Kommission ausschließlich obliege“.
Die Armen-Kommission erkennt an, daß eine Korrektions-Anstalt für verwilderte Kinder sehr notwendig und von wesentlichem Nutzen sein werde, weil nur in solcher viele Kinder vom gänzlichen moralischen Untergange gerettet werden können, da nicht wenige Eltern unfähig sind, ihre Kinder zu erziehen, weil sie dem Müßiggange, der Bettelei, dem Trunke und anderen Lastern ergeben sind und dadurch denselben ein böses Beispiel geben.
Den andern Zweck, aufsichtslose Kinder zu bewahren, erklärt man deshalb für nicht ausführbar, weil diese im Reskripte gewünschte Maßnahme sich auf viele Hundert Kinder von Tagelöhnern, Gesellen, Herrendienern und verabschiedeten Soldaten erstrecken würde. Es müßten zu diesem Zwecke mehrere Lokale in verschiedenen Stadtteilen mit kostspieliger Einrichtung, Beaufsichtigung und Verpflegung ins Leben gerufen werden, obwohl nicht zu leugnen sei, daß die große Zahl der infolge der Aufsichtslosigkeit verkrüppelten und ungesunden Personen dadurch vermindert werden würde.
Zur Errichtung einer Lehr- und Erziehungsanstalt für verwilderte Kinder erklärt die Armen-Kommission mit den hierzu nötigen Mitteln versehen zu sein. Unter verwilderten Kindern versteht sie solche, die von den Eltern nicht zum Schulbesuche und zu nützlicher Thätigkeit angehalten, auch nicht vom müßigen
Stiehler, Bernhard: Aus der Vergangenheit der Kinderbesserungsanstalt Marienhof zu Trachenberge bei Dresden. Henkel, Dresden 1888, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ausdeved_391715186.pdf/7&oldid=- (Version vom 23.12.2024)