Stiehler, Bernhard: Aus der Vergangenheit der Kinderbesserungsanstalt Marienhof zu Trachenberge bei Dresden | |
|
nur möglich ist, außerhalb Dresdens, in der Provinz untergebracht werden, weil sie auf diese Weise ihre früheren Verbindungen so leicht nicht wieder anknüpfen, auch viel sicherer unter Aufsicht gehalten werden können, als dies hier geschehen kann.
Da indessen nicht zu erwarten steht, daß alle solche Kinder an auswärtigen Orten Unterkommen finden werden, so sind diejenigen, welche sich allhier dergleichen junger Leute annehmen wollen, dringend zu ersuchen, auf dieselben ein wachsames Auge zu haben und ihnen nur wenig Freiheit zu gestatten, vorzüglich auch der Armen-Kommission von dem Betragen derselben in der ersten Zeit allmonatlich in der Folge und bei fortgesetzter guter Aufführung aber vierteljährig Nachricht zukommen zu lassen. Zur Erleichterung dieser Bemühungen sind den Lehrmeistern oder Dienstherren bei Übergabe der Kinder lithographierte Marken mit dem Vor- und Zunamen des Kindes und den Worten: „zufrieden“ oder „nicht zufrieden“ einzuhändigen, um sie nach Beschaffenheit der Aufführung an die Armen-Kommission, welche für die Abholung dieser Marken Sorge tragen wird, gelangen zu lassen.
Zugleich sind die Armenvorsteher davon in Kenntnis zu setzen, wenn und wo in ihrem Distrikte dergleichen Kinder untergebracht worden sind, damit auch diese sich von Zeit zu Zeit nach solchen erkundigen können. Bei wahrzunehmenden Abweichungen der Kinder von der vorgezeichneten Bahn sollen zuvörderst ernstliche Ermahnungen derselben von seiten der Armen- Kommission stattfinden, wenn diese aber fruchtlos bleiben, nachdrückliche Bestrafungen, unter welchen vorzüglich auch körperliche Züchtigungen anzuwenden, seiten des Stadt-Polizei-Kollegii eintreten. Eine solche Beaufsichtigung der Kinder durch die Armen-Kommission soll in der Regel zwei Jahre lang nach dem Austritte der ersteren aus der Anstalt fortdauern.
Bei dieser Anstalt werden folgende Personen angestellt:
- ein Lehrer, welcher nicht allein den nötigen Schulunterricht erteilt, sondern auch die specielle Aufsicht über dieselbe führt und sein ganzes Augenmerk darauf zu richten hat, daß dem oben angezogenen Schulplane und diesem Regulative pünktlich nachgegangen, überdies auch die Sittlichkeit und Besserung der Zöglinge mit Eifer und Pflichtmäßigkeit sowohl von ihm selbst, als von dem ihm untergeordneten Aufsichtspersonale möglichst befördert, auch die strengste Ordnung in der ganzen Anstalt beobachtet werde.
- ein Wärter, welcher die Schuhmacherprofession erlernt und betrieben, auch Kenntnisse im Gartenbau und der Baumzucht haben muß, damit er nicht nur das in der Anstalt für die Kinder nötige Schuhwerk fertigen, sondern auch diesen in allen übrigen Beschäftigungen mit Nutzen Unterricht erteilen könne. Er steht nach der Armen-Kommission zunächst unter dem Lehrer und hat dessen Anordnungen pünktliche Folge zu leisten, insbesondere aber mit diesem oder in dessen Abwesenheit auch allein die Aufsicht über die Kinder zu führen und darauf zu halten, daß dieselben sich eines gesitteten und stillen Betragens befleißigen; Ungezogenheiten oder Vergehungen hat derselbe, soviel ihm möglich, zu verhindern, und wenn hierzu Züchtigungen nötig sein sollten, sie mit Gelassenheit und ohne Leidenschaften mit der Rute anzuwenden, jedesmal aber den Lehrer davon in Kenntnis zu setzen. Des Nachts schläft er bei den Knaben.
- eine Wärterin, welche auf Reinlichkeit und Ordnung in der Anstalt überhaupt, sowie im Anzuge der Kinder zu sehen hat. Auch ihr ist nach der Armen Kommission zunächst der Lehrer vorgesetzt, welchem sie die gebührende Achtung und Gehorsam zu erweisen hat.
- Neben der Wartung und Pflege der sämtlichen Zöglinge, die ihr obliegt, hat sie auch das Ausbessern der Kleider und Wäsche, sowie das Waschen derselben zu besorgen und die Kinder, welche ihr vom Lehrer zugewiesen werden, im Nähen, Stricken, Spinnen und was sonst in der Anstalt betrieben wird, zu unterrichten, auch sie mit allem Fleiße zu einer nützlichen Thätigkeit und einer gesitteten, anständigen Aufführung anzuhalten. Sie hat ihre Schlafstelle im Saale, in welchem die Mädchen schlafen.
Stiehler, Bernhard: Aus der Vergangenheit der Kinderbesserungsanstalt Marienhof zu Trachenberge bei Dresden. Henkel, Dresden 1888, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ausdeved_391715186.pdf/15&oldid=- (Version vom 24.12.2024)