Seite:Aus meiner goldnen Zeit 1857–60 (Vigouroux).pdf/13

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

dürfte, den Boden von Arys, geschweige denn die dortige Honoratiorenkneipe zu betreten, da ich es sonst riskierte, von den über mich entrüsteten Gästen gründlich verhauen und an die Luft befördert zu werden. Heimkehrende, in der dortigen Gegend wohnhafte Teilnehmer an unserm Fest hatten auch von unserer Aufführung, dazu wohl noch in übertriebener und entstellter Weise berichtet, und nun glaubten die ehrsamen Bürger von Arys sich und ihr Städtchen durch mich auf das schändlichste verunglimpft und lächerlich gemacht und waren deshalb auf mich maßlos ergrimmt. Nun, ich muß gestehen, daß ich mich durch diesen, von mir weder beabsichtigten, noch vermuteten Effekt meines Festspiels keineswegs bestürzt, sondern vielmehr recht geschmeichelt fühlte. War mein Name doch dadurch in der dortigen Gegend, ja in ganz Masuren ein viel und mit Anerkennung genannter geworden. Auch ließ ich mich durch die mir in Arys drohenden Gefahren keineswegs einschüchtern und davon zurückhalten, mit Katz doch wieder hinüberzufahren, wurde zwar in der betreffenden Kneipe zunächst kühl, oder gar mit feindseligen Blicken empfangen; es gelang mir indes schnell durch eine humoristische, die Sache als ganz harmlos darstellende Schilderung des Ganzen die erregten Gemüter zu beschwichtigen. So war denn die, vermeintlich angegriffene Ehre von Arys und seiner Bewohner glücklich gerettet, und mein gutes Renommee bei ihnen wieder hergestellt.


Doch fehlte es in meiner Burschenzeit auch nicht an ernsteren Anlässen zu festlichen und feierlichen studentischen Veranstaltungen.

Gleich in meinem ersten Sommersemester 1857 wurde dem damaligen Dekan der medizinischen [75] Fakultät, Geheimer Rat Rathke, gelegentlich seines 25jährigen Jubiläums als Professor an der Albertina, zu deren hervorragendsten Zierden er gehörte, von der gesamten Studentenschaft ein großartiger Fackelzug gebracht, bei dem die Verbindungen natürlich die Hauptrolle spielten.

Später einmal wurde von den letzteren Corps und Burschenschaftern ein plötzlich verstorbenes Mitglied der Burschenschaft Germania mit allem studentischen Pomp zu Grabe geleitet.

Ganz besonders glanz- und weihevoll aber gestaltete sich der große Kommers, mit dem der Königsberger S. C., damals aus der Masovia, Littuania und Baltia bestehend, den hundertsten Geburtstag Schillers verherrlichte. In ganz Deutschland nicht nur, sondern überall auf der ganzen Erde, wo irgend Deutsche in größerer Zahl lebten, wurde dieser bedeutungsvolle, nationale Gedenktag in begeisterter Stimmung gefeiert, und Königsberg stand dabei natürlich nicht in letzter Reihe. Vor allem fanden im Stadttheater schon an den, dem eigentlichen Jubiläumstage vorangehenden Abenden glänzende Aufführungen Schillerscher Meisterwerke statt, bei denen die Studentenschaft das Parterre in dichten Scharen füllten, und am 10. November selbst wurde „Die Glocke“ in wohlgelungener dramatischer Form, verbunden mit lebenden Bildern aufgeführt. Nach Schluß der Vorstellung begaben wir, d. h. eben die drei Corps, uns mit zahlreichen unsrer Philister nach dem festlich dekorierten und mit der Büste des großen Dichters geschmückten Saale des Schützenhauses, damals auf dem Mitteltragheim, wo das Fest mit einem, wenn auch nicht luxiösen, so doch angemessen, festlichen Abendessen eingeleitet wurde. Der darauf folgende Kommers begann mit dem Gesange des Liedes „An die Freude“ und verlief dann in allseitig gehobener Stimmung und in würdiger

Empfohlene Zitierweise:
Otto Vigouroux: Aus meiner goldnen Zeit 1857–60. Königsberg i. Pr. 1905, Seite 74–75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_meiner_goldnen_Zeit_1857%E2%80%9360_(Vigouroux).pdf/13&oldid=- (Version vom 17.9.2022)