Seite:Aus meiner goldnen Zeit 1857–60 (Vigouroux).pdf/12

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Entrée, sie durch ihr vermeintlich meisterhaftes Spiel in wahnsinniges Entzücken zu versetzen, und schließlich mit gefüllten Taschen zu verduften.

Dieses Stück nun machte ich für meine Zwecke zurecht, stattete es mit von mir verfaßten zeit- und sachgemäßen Couplets aus und verlegte den Schauplatz desselben nach unserm Stammlande Masuren, und zwar nach Arys, als einem der kleinsten Städtchen desselben. Daher gab ich ihm auch statt des ursprünglichen, den Titel: „Die Virtuosen in Masuren, oder das kunstsinnige Arys.“ Dann suchte ich mir aus unserer Mitte die geeignete Künstlerschar heraus, die unter den Namen Trzaska, Kraska, Pomaska usw. als Bürger von Arys figurierten, während unser Dewischeit und ich die beiden falschen Fernis verkörperten. Näheres besagt der von mir entworfene, gedruckte Theaterzettel, der den Annalen jedenfalls noch beiliegt und außerdem wohl auch noch im Besitz manches der damaligen Festteilnehmer sein mag. Die notwendigen weiblichen Kostüms verdankten wir der opferwilligen Liebenswürdigkeit der Schumacherschen Damen, die ihre Ballroben herzuleihen und allen Anfechtungen durch die Benutzung unsererseits preiszugeben die Güte hatten. Die genialen, damals modernen Haarfrisuren mit gewaltigem Chignon und dergleichen entstammten der Theatergarderobe. Die von mir eingerichtete Szene war von antik-klassischer Einfachheit; eine etwas erhöhte Stelle des Fuchshöfener Parks unter alten Bäumen, zwischen denen einige Tischtücher als Kulissen ausgespannt waren! Diesmal war unser Publikum natürlich ein gewählteres, als das damalige in Pillau; es setzte sich ja hauptsächlich aus den, aus der ganzen Provinz zum Feste herbeigeströmten Philistern und ihren Familien, aus Verwandten und Freunden der einzelnen Couleurbrüder, außerdem aus zahlreichen Königsberger Damen und [73] Herren zusammen, die sich für die Masovia und unser Fest interessierten. Um so schmeichelhafter war also auch für uns Akteurs der Beifall, den uns dieses Publikum für unsere Leistungen zollte. Und er war in der Tat geradezu kolossal und erreichte seinen Höhepunkt, als die beiden Damen Ferni hervortraten und ihren Geigen Töne entlockten, wie sie selbst ein Mozart oder Beethoven nicht hätten in Noten festhalten können. Das Jubelgeschrei der enthusiasmierten Zuhörer übertönte sie fast, und ungeheure Mengen von schnell gewundenen Kränzen und Sträußen, zu denen in Ermangelung von Lorbeeren und Palmen das im Park wachsende Unkraut reichliches Material bot, wurde uns zu-, fast hätte ich gesagt, an die Köpfe geworfen, wofür wir mit den graziösesten Verbeugungen dankten.

So war denn der Erfolg unserer dramatischen, wie musikalischen Darbietungen ein mehr als großartiger und unser, speziell mein, als des Arrangeurs Ruhm wurde denn auch von den auswärtigen Festteilnehmern in die ganze Provinz hinausgetragen. Für mich hätte die Sache aber auch beinahe noch tragische Folgen gehabt. Und das hing so zusammen. Unser August Gärtner, genannt Katz (der leider auch in der Blüte der Jahre von einem tückischen Leiden hingerafft wurde) stammte aus dem in der Nähe von Arys gelegenen Gute Schweikowen, und bei ihm weilte ich öfter in den Ferien kürzere oder längere Zeit zum Besuch. Wir beide fuhren dann wohl manchmal nach dem Städtchen hinüber zum Frühschoppen im Kreise der dortigen Honoratioren, die die fidelen Musensöhne stets gern unter sich sahen. Als ich nun auch in den, dem Stiftungsfeste folgenden Sommerferien wieder gen Schweikowen wanderte, empfingen mich Katzens Geschwister gleich mit der niederschmetternden Kunde, daß ich es nicht wagen

Empfohlene Zitierweise:
Otto Vigouroux: Aus meiner goldnen Zeit 1857–60. Königsberg i. Pr. 1905, Seite 72–73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_meiner_goldnen_Zeit_1857%E2%80%9360_(Vigouroux).pdf/12&oldid=- (Version vom 17.9.2022)