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Aber der junge Mensch beruhigte sich dabei nicht, sondern bat, daß ein neuer Termin festgesetzt würde, damit er einen Zeugen beibringen könne.

Doch verging die Zeit und er konnte keinen Zeugen finden. Als es nur noch einen Tag bis zum Termin war, war er in großer Besorgnis, ging in den Wald und weinte. Da trat ein alter Mann zu ihm und fragte: „Weshalb weinst du?“

„Wie sollte ich nicht weinen, wenn ich morgen Termin habe und keinen Zeugen finden kann? Und ohne den verspiele ich wieder.“

Er erzählte alles dem alten Mann, dieser hörte aufmerksam zu und sagte dann: „Sei nur ruhig und fürchte dich nicht! Geh nur morgen auf den Termin, ich werde dir meinen Vater schicken, der wird dein Zeuge sein.“

Am andern Tage ging der junge Mensch auf den Termin, neugierig, ob auch der Zeuge kommen werde. Alle Richter versammelten sich und wollten in der Sache urteilen, aber der Zeuge war nicht da. Da sagten sie zu dem jungen Menschen: „Mit deiner Sache steht es schlecht, der Wirt wird gewinnen. Denn jeder weiß, daß aus der Mandel Eier Hühner auskriechen konnten und wieder Küchlein haben.“

Aber wie sie ihn gerade verurteilen wollten, da stürzte ein uralter Mann in die Gerichtsstube, der war so erhitzt, daß ihm der Schaum vorm Munde stand, und rief: „Ich will Zeuge für den jungen Menschen sein!“

Doch der älteste Richter antwortete: „Du bist fünf Minuten zu spät gekommen.“

„Das darf nicht schaden“, antwortete der alte Mann, „denn ich hatte eine große Arbeit zu tun. Ich mußte heute schon dreißig Scheffel Erbsen kochen und sie aussäen.“

„So alt schon und noch so dumm!“ sagte der Richter. „Wie konntest du das tun, da doch jeder Mensch weiß, daß gekochte Erbsen nicht aufgehen.“

„Wenn es so ist“, antwortete der Alte, „so können auch aus gekochten Eiern keine Hühner auskriechen!“

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Friedrich Lorentz: Aus dem Märchenschatz der Kaschubei. Fuchs & Cie., Danzig 1930, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_M%C3%A4rchenschatz_der_Kaschubei.djvu/39&oldid=- (Version vom 31.7.2018)