Früher fraß nicht nur der Hase, sondern auch der Fuchs kein Fleisch. Eines Tages war er gerade dabei, die jungen Blattknospen von den Sträuchern zu sammeln, um sie zu fressen, da kam der Wolf zu ihm und sagte: „Was für ein elendes Leben führst du nur! Immer bloß Blätter und Grassamen, das könnte mir gefallen! Komm mit mir, ich lehre dich das Fleischerhandwerk, dann kannst du Braten essen.“
Der Fuchs war gern bereit und so gingen sie. Sie kamen zu einer Wiese, auf der ein Pferd weidete. Die beiden verbargen sich in einem Busch und der Wolf sagte: „Das Pferd wollen wir schlachten. Setze dich vor mich, sieh mich an und sage mir, ob meine Augen schon funkeln.“
Der Fuchs setzte sich vor den Wolf, sah ihm in die Augen und sagte: „Sie funkeln wie glühende Kohlen!“
Der Wolf fragte weiter: „Und sieh, ob sich die Haare auf meiner Haut sträuben!“
„Sie sträuben sich, daß es schrecklich ist, anzusehen,“ antwortete der Fuchs.
„Und sieh nach, ob sich mein Schwanz bewegt,“ fragte der Wolf zum dritten Mal. Der Fuchs sah nach und antwortete: „Er bewegt sich, als ob der Sturmwind durch ihn führe!“
„Dann bin ich bereit“, sagte der Wolf, stürmte aus dem Busch hervor, warf sich auf das Pferd und riß ihm den Bauch auf. Dann zerlegten sie es zu zweit und frassen sich satt. So wurde der Fuchs ein Fleischfresser.
Eines Tages traf der Fuchs den Hasen, der auch Blätter und Gras fraß.
„Wie dumm bist du, Hase,“ sagte er zu ihm, „daß du Grünkram frißt! Fleisch schmeckt viel besser und gibt mehr Kraft, wenn du Fleisch äßest, würdest du bald heranwachsen und stärker werden, als jeder Hund. Komm mit mir, ich werde dir die Fleischerei beibringen.“
Friedrich Lorentz: Aus dem Märchenschatz der Kaschubei. Fuchs & Cie., Danzig 1930, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_M%C3%A4rchenschatz_der_Kaschubei.djvu/31&oldid=- (Version vom 31.7.2018)