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Der fromme Tagelöhner und der habgierige Nachbar.

In einem Dorfe lebte ein armer Tagelöhner der war sehr fromm. Wenn er auch bisweilen nichts zu essen hatte, so arbeitete er doch an Sonntagen und Festtagen nicht, um den Feiertag nicht zu entheiligen. Eines Sonntages ging er zur Kirche und sah auf dem Wege einen Sack voll Geld liegen. Er wollte ihn schon aufheben und mitnehmen, aber da dachte er: „Heute ist Sonntag, da darf ich mich nicht mit dem Sacke schleppen. Mag er bis morgen liegen!“

Er ging zur Kirche und sah auf dem Rückwege wieder den Sack voll Geld, aber er hob ihn nicht auf, denn es war Sonntag! Die anderen Leute hoben den Sack auch nicht auf, denn sie sahen keinen Sack, sondern eine tote Katze. Der Tagelöhner kam nach Hause und erzählte seiner Frau von dem Sacke.

„Du Narr,“ sagte die, „hättest du das Geld nicht aufheben können? Dann hätten wir nicht mehr zu arbeiten gebraucht.“

Der Tagelöhner hatte einen sehr habgierigen und nichtswürdigen Nachbarn, der kam auch aus der Kirche, sah die tote Katze, wie der Sack allen Menschen erschien und dachte: „Ich fasse die Katze am Schwanz, schleppe sie bis zum Dorf und werfe sie dem frommen Tagelöhner durchs Fenster in die Stube. Dann werde ich sehen, ob er nicht arbeiten wird, denn er muß doch das Aas hinausschaffen“

Der Tagelöhner und seine Frau sprachen noch von dem Gelde, als der Nachbar zum Fenster kam, ihnen die tote Katze vor die Füße warf und fortlief. Der Tagelöhner und seine Frau erschraken sehr, aber bald bemerkten sie, daß ihnen der Sack voll Geld in die Stube geworfen war. Sie ließen

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Friedrich Lorentz: Aus dem Märchenschatz der Kaschubei. Fuchs & Cie., Danzig 1930, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_M%C3%A4rchenschatz_der_Kaschubei.djvu/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)