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das Gerüst hin, und ich mußte mich nun darauf setzen und mein Gesicht etwas von der Seite, nach dem Maler zu, wenden. – So saß ich ein paar Minuten ganz still, ohne mich zu rühren. Aber ich weiß nicht, zuletzt konnt’ ich’s gar nicht recht aushalten, bald juckte mich’s da, bald juckte mich’s dort. Auch hing mir grade gegenüber ein zerbrochner halber Spiegel, da mußt ich immerfort hineinsehn, und machte, wenn er eben malte, aus Langeweile allerlei Gesichter und Grimassen. Der Maler, der es bemerkte, lachte endlich laut auf und winckte mir mit der Hand, daß ich wieder aufstehen sollte. Mein Gesicht auf dem Hirten war auch schon fertig, und sah so klar aus, das ich mir ordentlich selber gefiel.

Er zeichnete nun in der frischen Morgenkühle immer fleißig fort, während er ein Liedchen dazu sang und zuweilen durch das offne Fenster in die prächtige Gegend hinausblickte. Ich aber schnitt mir unterdeß noch eine Butterstolle und ging damit vergnügt im Zimmer auf und ab und besah mir die Bilder, die an der Wand aufgestellt waren. Zwei darunter gefielen mir ganz besonders gut. „Habt Ihr die auch gemalt?“ frug ich den Maler. „Warum nicht gar!“ erwiederte er, „die sind von den berühmten Meistern Leonardo da Vinci und Guido Reni – aber da weißt Du ja doch nichts davon!« – Mich ärgerte der Schluß der Rede. „O,“ versetzte ich ganz gelassen, „die beiden Meister kenne ich wie meine eigne Tasche.“ – Da machte er große Augen. „Wie so?“ frug er geschwind. „Nun,“

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Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/93&oldid=- (Version vom 31.7.2018)