in den allereinsamsten Winkel des Gartens. Dort warf ich mich unter den Haselnußsträuchern ins Gras hin, und las das Briefchen noch einmal, sagte die Worte auswendig für mich hin, und las dann wieder und immer wieder, und die Sonnenstrahlen tanzten zwischen den Blättern hindurch über den Buchstaben, daß sie sich wie goldene und hellgrüne und rothe Blüthen vor meinen Augen in einander schlangen. Ist sie am Ende gar nicht verheirathet gewesen? dachte ich, war der fremde Offizier damals vielleicht ihr Herr Bruder, oder ist er nun todt, oder bin ich toll, oder – „Das ist alles einerlei!“ rief ich endlich und sprang auf, „nun ist’s ja klar, sie liebt mich ja, sie liebt mich!“
Als ich aus dem Gesträuch wieder hervor kroch, neigte sich die Sonne zum Untergange. Der Himmel war roth, die Vögel sangen lustig in allen Wäldern, die Thäler waren voller Schimmer, aber in meinem Herzen war es noch viel tausendmal schöner und fröhlicher!
Ich rief in das Schloß hinein, daß sie mir heut das Abendessen in den Garten herausbringen sollten. Die alte Frau, der alte grämliche Mann, die Mägde, sie mußten alle mit heraus und sich mit mir unter dem Baume an den gedeckten Tisch setzen. Ich zog meine Geige hervor und spielte und aß und trank dazwischen. Da wurden sie alle lustig, der alte Mann strich seine grämlichen Falten aus dem Gesicht und stieß ein Glas nach dem andern aus, die Alte plauderte in einem fort, Gott weiß was; die Mägde fingen
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/78&oldid=- (Version vom 21.12.2020)