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zu werden. Die Glieder gingen mir von dem ewigen Nichtsthun ordentlich aus allen Gelenken, und es war mir, als würde ich vor Faulheit noch ganz auseinander fallen.

In dieser Zeit saß ich einmal an einem schwülen Nachmittage im Wipfel eines hohen Baumes, der am Abhange stand, und wiegte mich auf den Aesten langsam über dem stillen, tiefen Thale. Die Bienen summten zwischen den Blättern um mich herum, sonst war alles wie ausgestorben, kein Mensch war zwischen den Bergen zu sehen, tief unter mir auf den stillen Waldwiesen ruhten die Kühe auf dem hohen Grase. Aber ganz von weiten kam der Klang eines Posthorns über die waldigen Gipfel herüber, bald kaum vernehmbar, bald wieder heller und deutlicher. Mir fiel dabei auf einmal ein altes Lied recht aufs Herz, das ich noch zu Hause auf meines Vaters Mühle von einem wandernden Handwerksburschen gelernt hatte, und ich sang:

Wer in die Fremde will wandern,
Der muß mit der Liebsten gehn.
Es jubeln und lassen die Andern
Den Fremden alleine stehn.
 
Was wisset Ihr, dunkele Wipfeln
Von der alten schönen Zeit?
Ach, die Heimath hinter den Gipfeln,
Wie liegt sie von hier so weit.
 
Am liebsten betracht ich die Sterne,
Die schienen, wenn ich ging zu ihr,
Die Nachtigall hör’ ich so gerne,
Sie sang vor der Liebsten Thür.

Empfohlene Zitierweise:
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/76&oldid=- (Version vom 31.7.2018)