ein Poet!“ versetzte jener lustig lachend. „Das wohl eben nicht,“ erwiderte Florio und wurde über und über roth. „Ich habe mich wohl zuweilen in der fröhlichen Sangeskunst versucht, aber wenn ich dann wieder die alten großen Meister las, wie da alles wirklich da ist und leibt und lebt, was ich mir manchmal heimlich nur wünschte und ahnete, da komm ich mir vor wie ein schwaches vom Winde verwehtes Lerchenstimmlein unter dem unermeßlichen Himmelsdom.“ – „Jeder lobt Gott auf seine Weise,“ sagte der Fremde, „und alle Stimmen zusammen machen den Frühling.“ Dabei ruhten seine großen geistreichen Augen mit sichtbarem Wohlgefallen auf dem schönen Jünglinge, der so unschuldig in die dämmernde Welt vor sich hinaussah.
„Ich habe jetzt,“ fuhr dieser nun kühner und vertraulicher fort, „das Reisen erwählt, und befinde mich wie aus einem Gefängniß erlöst, alle alten Wünsche und Freuden sind nun auf einmal in Freiheit gesetzt. Auf dem Lande in der Stille aufgewachsen, wie lange habe ich da die fernen blauen Berge sehnsüchtig betrachtet, wenn der Frühling wie ein zauberischer Spielmann durch unsern Garten ging und von der wunderschönen Ferne verlockend sang und von großer unermeßlicher Lust.“ – Der Fremde war über die letzten Worte in tiefe Gedanken versunken. „Habt Ihr wohl jemals,“ sagte er zerstreut aber sehr ernsthaft, „von dem wunderbaren Spielmann gehört, der durch seine Töne die Jugend in einen Zauberberg hinein verlockt,
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Vereinsbuchhandlung, Berlin 1826, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_dem_Leben_eines_Taugenichts_und_das_Marmorbild.djvu/144&oldid=- (Version vom 31.7.2018)