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Weile, mit den Blicken im Saal umherschweifend, nah von Robert stehen, und ihr Arm streifte den seinen. Da sie keinen Platz fand, wandte sie sich mit ihren Begleitern wieder zum Gehen, doch an der Tür sah sie sich lächelnd nach Robert um.

Ein frisch gefülltes Glas Champagner stand vor ihm. Er trank es in einem Zug aus – mit Lust, fast mit Begier. Der Klavierspieler phantasierte über Themen aus Wagnerschen Opern in parodistischem Walzertempo. Irgend etwas längst Vergangenes zog durch Roberts Sinne. Vor vielen Jahren, zu Beginn seiner Ehe, war er einmal während einer Tristan-Aufführung mit seiner jungen Gattin in der verdunkelten Loge sehr zärtlich gewesen. Es war ihm nun in der Erinnerung, als hätte er sie damals unendlich geliebt, und er dachte, daß vielleicht manches in seinem Leben anders gekommen wäre, wenn sie nicht so jung hätte sterben müssen. Trotz dieses wehmütigen Einfalls fühlte er sich ganz behaglich und merkte, daß er mit der Hand sanft zum Klavierspiel den Takt schlug. Er lächelte oder wollte vielmehr lächeln, denn plötzlich fühlte er seine Lippen zucken, Tränen stiegen ihm in die Augen, und er konnte sich eben noch mit Mühe zurückhalten, laut aufzuschluchzen. Er biß die Zähne zusammen, sah rings um sich, ob irgend jemand seine Schwäche bemerkt hätte, und lachte nun auf, aber so laut und schrill,

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Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 036. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_036.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)