Seite:Arthur Schnitzler – Flucht in die Finsternis – 018.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Urteil: dies war das Wort, das sich ihm innerlich aufdrängte; und es war das richtige. Denn von Jugend auf hatte er sich dem älteren Bruder gegenüber bei äußerlich glänzenderen Eigenschaften als einen Menschen von geringerem Wert erkannt, und er verhehlte sich nicht, daß sein eigener bürgerlicher Wandel von Otto zwar mit Nachsicht, oft aber mit Ungeduld und Unmut betrachtet wurde. Und Robert begriff das sehr gut. Ottos pflichtenschweres Dasein, der Ernst seines Berufes, bei dessen Übung es um so wesentliche Dinge wie um Leben und Gesundheit ging, sein sicheres und zugleich opfervolles Ruhen in der Familie, all das stellte sich für Robert in so hehrem Lichte dar, daß ihm dagegen seine eigene Existenz, wenn sie auch in den Rahmen eines Amts gespannt war, oft genug wie ohne rechte Würde und ohne tieferen Sinn erschien.

Von seinem Bruder als ein Genesener, ja als ein Gebesserter vielleicht, mit Herzlichkeit begrüßt zu werden, dünkte ihn das Beste, was die Heimat zum Empfang ihm bieten konnte. Und daß die freudige Erwartung eines guten Wiedersehens sich allmählich in eine immer unruhevollere Bangigkeit gewandelt hatte, das mußte verborgene Ursachen haben, denen Robert zögernd, aber widerstandslos nachgrübelte. Und er fühlte, wie aus den Gründen seiner Seele dumpf, doch unverscheuchbar, eine Erinnerung

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Schnitzler: Flucht in die Finsternis. Berlin: S. Fischer, 1931, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Arthur_Schnitzler_%E2%80%93_Flucht_in_die_Finsternis_%E2%80%93_018.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)