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und die Spuren der Verwüstung soweit thunlich hinwegräumen suchten, 4) eine Berichterstattung über die Lage der Dinge zu verhindern wußten, indem sie die Briefe der Betroffenen abfingen, Reisen von Armeniern ins Ausland verhinderten und das Eindringen fremder Berichterstatter nicht zuließen, 5) hier und da eine scheinbare Zurückerstattung des geraubten Eigentums anordneten, bei der nur das wertloseste Zeug, kaum ein Hundertstel der Verluste, abgeliefert wurde, 6) Befehle, welche die Sistierung von Massacres, Plünderungen und Zwangskonvertierungen bekannt machten, ohne die Ausführung derselben zu bewirken.

V. Die Behörden thaten nichts, um die, für die völlig ausgeplünderte Bevölkerung verhängnisvollen Folgen der Massacres abzuwenden. 1) Die Unterstützungen der Notleidenden, von seiten der Regierung waren nicht allein lächerlich unzureichend, sondern hörten auch in der Regel nach wenigen Tagen wieder auf. 2) Bemühungen der europäischen Hilfskomitees, den Notstand zu lindern, wurden auf alle nur erdenkliche Weise gehindert oder erschwert und nur dem energischen Vorgehen des englischen Botschafters, als des Vorsitzenden des Internationalen Hilfskomitees, gelang es, in dieser Beziehung Wandel zu schaffen. 3) Für den Wiederaufbau der Häuser, für die Bestellung der Saaten, für den Schutz der Notleidenden gegen den hereinbrechenden Winter geschah nichts. 4) Die Auswanderung der Notleidenden wurde gehindert. 5) Für die Hunderttausende von Witwen, Waisen, Kranken und Hilflosen wurde in keiner Weise gesorgt. 6) Den Notleidenden wurde häufig der letzte Rest ihrer Habe durch rigorose Steuereintreibungen genommen, ja sogar auf dieselbe Weise die erhaltenen Unterstützungsgelder wieder abgejagt.

VI. Einer Wiederholung der Massacres oder einem Ausbruch derselben in den noch nicht betroffenen Distriten wird auch jetzt noch nicht von seiten der Behörden vorgebeugt; im Gegenteil, wie die neuesten Massacres Juni 1896 in Vilajet Wan, Eghin und Niksar und die letzten Unruhen in Trapzunt im August und die ununterbrochenen Zwangskonvertierungen in[WS 1] allen Landdistrikten beweisen, wird die Vernichtung des armeninischen Volkes ungehindert zum Ziel geführt.

VII. Die Urheber und Mitschuldigen der Massenmorde, Plünderungen und Zwangskonvertierungen blieben straflos.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: im
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/54&oldid=- (Version vom 31.7.2018)