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die Versicherung ihres Schutzes, durch Einquartierung von Militär und Aushebung von Redifs, welche scheinbar zur Aufrechterhaltung der Ordnung bestellt waren, in Wahrheit aber angewiesen wurden, an den Massacres und der Plünderung teilzunehmen. 6) Sie ermöglichten den Ueberfall und die Ausplünderung der Bazars, indem sie die armenische Stadtbevölkerung, wenn sie aus Furcht vor den drohenden Massacres ihre Läden geschlossen und sich in ihre Häuser zurückgezogen hatte, entweder durch falsche Vorspiegelungen der wiederhergestellten Ruhe oder durch kategorische Befehle und Zwangsmaßregeln nötigten, ihre Läden und Magazine wieder zu öffnen und das Geschäft wieder aufzunehmen.

III. Die Civil- und Militärbehörden beteiligten sich vielfach unter persönlicher Mitwirkung der höchsten Beamten an den Massacres, der Plünderung und der Zwangskonvertierung, indem sie 1) den Ausbruch des Massacres auf einen bestimmten Tag und eine bestimmte Stunde fixierten, 2) eine bestimmte Zeit von Stunden oder Tagen festsetzten, während welcher dem Pöbel, den Kurden und dem Militär straflose Freiheit zum Morden und Plündern gewährt wurde, 3) die Massacres durch Trompetensignale oder andere Zeichen einleiten und beschließen ließen, 4) Hilfegesuche von seiten der christlichen Bevölkerung abwiesen oder die Supplikanten arretierten, 5) Hilfegesuche und telegraphische Petitionen an höhere Behörden, insbesondere an den Sultan, verhinderten, 6) vor, während und nach den Massacres zahllose Arretierungen von Armeniern Vornahmen, die ohne Einleitung eines Rechtsverfahrens zum größten Teil jetzt noch in den Gefängnissen schmachten und meist den entsetzlichsten Torturen ausgesetzt wurden, 7) das Militär, die Redifs, Kurden und Tscherkessen zur Teilnahme an den Massacres kommandierten, 8) sich durch die ihnen unterstellten Truppen oder Gendarmen einen Anteil an der Beute sicherten.

IV. Die Civilbehörden versuchten nach den Ereignissen die Thatsache der Massacres und der Plünderung zu verschleiern oder zu entschuldigen, indem sie 1) die Armenier fälschlicherweise der Anstiftung beschuldigten, 2) von armenischen Notablen durch Gefängnisstrafen, Androhung des Todes oder neuer Massacres Erklärungen erpreßten des Inhalts, daß die Armenier an dem Ausbruch der Unruhen schuld seien und dank der Maßregeln der Behörden die Ordnung wieder hergestellt sei, 3) die Bestattung der Leichen anordneten

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Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/53&oldid=- (Version vom 31.7.2018)