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Nazim Pascha der Lauheit und Unthätigkeit und setzte sich mit dem berüchtigten Kurden-Scheikh Schekir in Verbindung, der das Massacre in den Landdistrikten organisieren mußte. Der Major Halim Effendi, berühmt durch seine Greuelthaten in Sassun, wurde an der Spitze einer starken Truppenabteilung beauftragt, das armenische Quartier Aigestan zu stürmen, wobei er durch eine Kanonade von einem die Stadt überragenden Hügel unterstützt wurde. Die Pöbel-Haufen feuerte er an, indem er ihnen zurief: Wohlan, meine Kinder! Macht nur erst alles nieder, hernach könnt ihr in aller Ruhe rauben und plündern.

Als die Unruhen in Malatia anfingen, eilten zwei hervorragende Männer der protestantischen Gemeinde, Mitglieder des Gerichtshofes, mit ihren beiden Söhnen, zum Mutessarif der Stadt und baten um Schutz. Er erwiderte: Ich kann euch nicht schützen. Sie baten um Schutz für ihre Söhne; er antwortete: Schickt sie in die Kaserne! Die Männer entfernten sich; darauf gab der Mutessarif dem dienstthuenden Zaptieh ein Zeichen, und beide wurden im Hof des Regierungsgebäudes erschossen. Die beiden Jünglinge baten um ihr Leben. Der eine wurde, als er davonlief, niedergeschossen, der andere begegnete einem Kurden, der Geld von ihm verlangte. Er gab 65 Piaster und wurde dann auch niedergeschossen.

In Konkhuli ließ der Militärkommandant zum Anzünden der Häuser Petroleum kommen. Im Distrikt von Yenidje-Kale überfielen die Truppen unter Führung der Offiziere das Hospiz von Mudjuk Deressi, töteten den Pater Salvatore und brannten in Yenidje-Kale alle Häuser und das Franziskaner-Kloster nieder. Der Pater Salvatore war am Abend noch mit einem türkischen Offizier zusammen, dem Führer der ihm von der Regierung gesandten Eskorte, den er bei sich bewirtete; am Morgen mußte er mit den Ordensleuten herunter kommen und wurde vor die Frage gestellt: Muhammedaner zu werden oder zu sterben. Er wollte seinen Glauben nicht abschwören und wurde mit Bajonetten erstochen, zerstückelt und verbrannt.

„Die nach einigem Zögern dem französischen Vizekonsul zu Sivas als Wache gesandten Soldaten murrten laut, daß sie dadurch verhindert seien, am Massacre und der Plünderung teilzunehmen.“

„Die den Hafen von Alexandrette postierenden Soldaten rühmten sich laut, an den Massacres teilgenommen zu haben.“

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/51&oldid=- (Version vom 31.7.2018)