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2000 zählenden Männerschar, in der alle Klassen und Stände vertreten, gefüllt, während die Gallerie für die Damen reserviert war. Einberufen war die Versammlung bekanntlich vom Kölner Katholiken-Komitee. Auf der Tribüne hatten am Vorstandstisch u. A. die hochw. Herren Erzbischof Dalhoff von Bombay, Weihbischof Dr. Schmitz, die Abgg. Dr. Karl Bachem und Karl Trimborn, die Justizräte Custodis und Beig. Jansen und R.-A. Julius Bachem Platz genommen.

Herr Justizrat Custodis, der Vorsitzende des Katholiken-Komitees, eröffnete die stattliche Versammlung und dankte zunächst für den zahlreichen Besuch, welcher am besten das rege Interesse bekunde, welches die Kölner Bürgerschaft an der traurigen Lage der verfolgten Armenier nehme. Redner wies dann kurz auf die Grausamkeiten hin, welche der fanatische Türkenhaß zur Verfolgung der Armenier ausgesonnen habe, die auch nur andeutungsweise wiederzugeben, die Feder sich sträube. Alle Vorstellungen der europäischen Regierungen seien bei der Pforte erfolglos geblieben; da sei es an der Zeit, daß das Volk seine Stimme erhebe zu Gunsten der blutig Verfolgten und das zu erreichen suche, was der Diplomatie bis jetzt nicht gelungen sei. (Bravo!) Die christliche Nächstenliebe allein leite uns Katholiken in diesem Bestreben, und wenn man den Katholiken andere Motive unterschiebe, so verbäten diese sich das ganz entschieden. (Lebhaftes Bravo!)

Hierauf gab Herr Rechtsanwalt Jul. Bachem an der Hand der Geschichte einen Ueberblick über die Verhältnisse der Armenier und über den Anlaß zu den beklagenswerten Vorgängen, die hauptsächlich durch die unter den Armeniern herrschende Unzufriedenheit über ihre bedrängte Lage, den Uebermut der Muhammedaner, die despotische Mißwirtschaft des Sultans und den grenzenlosen Steuerdruck hervorgerufen seien. Die armenische Bevölkerung der Türkei betrage 2½ Millionen. Die Armenier seien in ihrer übergroßen Mehrheit Christen, meistens aber Schismatiker; etwa 100 000 seien katholisch, mit Rom vereinigt. Erst in den letzten Jahren habe sich unter denselben eine revolutionäre Bewegung bemerkbar gemacht, die namentlich auf die Einführung von Reformen zur Abstellung der drückenden Mißstände hinziele, und umsomehr die Sympathie der abendländischen Völker verdiene, als die Türkei nicht im mindesten ihre Versprechungen den Armeniern gegenüber gehalten, namentlich nicht den Bestimmungen des Berliner Kongresses

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Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/266&oldid=- (Version vom 31.7.2018)