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Opfer, Männer, Frauen, Jünglinge, Jungfrauen und Kinder, die auf den Namen Christi getauft sind wie wir, dringt unablässig zu unseren Ohren, und wir vermögen uns nicht davor zu verschließen. Tief erschüttert stehen wir vor den unbegreiflichen Gerichten, welche Gottes Hand zuläßt, und vor der bangen Frage, wie wir mit unseren Gemeinden unter ähnlichen Gerichten Gottes bestehen würden. Wir wissen nicht, welches die näheren Ursachen und Veranlassungen dieser Ereignisse sind, wir sind uns auch bewußt, daß wir keinerlei Auftrag und Stellung haben, in die Politik der Staaten hinein zu reden, aber wir können nicht anders, als uns tief beschämt vor der furchtbaren Anklage zu beugen, daß die ganze christliche Welt Europas und Amerikas keine Wege gefunden hat, um den armen gequälten christlichen Brüdern in schuldiger christlicher Barmherzigkeit zu Hilfe zu kommen. Wir flehen die Barmherzigkeit des großen Gottes an, daß Seine allmächtige Hand die Leiden wenden, daß Seine Gnade die armen Verfolgten stärken möge, Treue zu bewahren bis in den Tod. Wir sind von demütigem Danke erfüllt, daß sich unter dem standhaften Erdulden entsetzlicher Martern treue Bekenner Seines Namens gefunden haben. Wir vereinigen uns mit der ganzen Christenheit zu der Bitte, Gottes Barmherzigkeit wolle die Regierenden und Mächtigen der christlichen Welt mit Seinem Geiste, dem Geiste der Kraft und der Liebe erfüllen, daß sie im Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeit nicht säumen mögen, den Verfolgten Erlösung und Hilfe zu bringen. Unsere Gemeinden und Seelsorger bitten wir, nicht müde zu werden in dem Gebete um Hilfe zu Gottes Barmherzigkeit. Alle Glieder der christlichen Kirche, über alle Schranken der Konfessionen hinweg, bitten wir in diesem Gebete mit uns zusammenzustehen, auch, soweit es Gaben an Geld vermögen, den Verwaisten und Verkommenden zu Hilfe zu eilen. Die Pfarrer der Provinzialkirche werden es sich gern angelegen sein lassen, Gaben für die Bedrängten, namentlich für die Pflege der Waisenkinder, zu erbitten. Der Herr der Kirche wolle Sein Volk in Gnaden erretten. Er walte über Seiner Christenheit mit Barmherzigkeit.“

6. Die sächsische Provinzialsynode.

„Die Provinzialsynode schließt sich den Kundgebungen sittlicher Entrüstung und mitleidsvoller Teilnahme an, welche das namenlose Elend hervorgerufen, das türkischer Fanatismus, von verhältnismäßig wenig Schuldigen abgesehen – über Hunderttausende unschuldiger

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 256. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/264&oldid=- (Version vom 31.7.2018)