Seite:Armenien und Europa. Eine Anklageschrift.pdf/26

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Das eintönige Geschäft, Hunderte von waffen- und wehrlosen Armeniern aus ihren Häusern und Schlupfwinkeln zu zerren, Mann für Mann zu köpfen, zu erstechen, zu erdrosseln, zu erhenken, mit Knütteln, Aexten und Eisenstangen zu erschlagen, ermüdete bald. Der joviale Pöbel verlangte nach Abwechselung. Das einfache Totschlagen war zu langweilig – man mußte die Sache unterhaltender machen. Wie wäre es, ein Feuer anzuzünden und die Verwundeten drin zu braten, etliche an Pfählen die Köpfe nach unten aufzuhängen, andere mit Nägeln zu spicken oder ihrer fünfzig zusammenzubinden und in das Menschenknäuel hinein zu schießen. Wozu hat ein Armenier soviel Glieder, als dazu, daß man sie einzeln abhackt und ihm die blutigen Stümpfe in den Mund stopft. Das Ausstechen der Augen, das Abschneiden der Nasen und Ohren wird zur Spezialität ausgebildet. Besonders Priester, die sich weigern, zum Islam überzutreten, verdienen kein besseres Schicksal. Soll ich die Liste der Armen, die so ums Leben kamen, herzählen? Sie steht zur Verfügung.

Aber das alles sind noch einfache Methoden, die den Ruhm der Neuigkeit nicht in Anspruch nehmen können. Hier ist Petroleum und Kerosin! Zwar wurde es von der Behörde nur geliefert, um Häuser damit zu verbrennen und Vorräte von Lebensmitteln und Getreide zu verderben. Aber sie wird nicht zürnen, wenn man einen nützlicheren Gebrauch davon macht. Seht diesen Mann, ein Photograph, Mardiros sein Name, welch einen stattlichen Bart er hat! Gießet Petroleum hinein und zündet ihn an! Schleppt Christen zusammen, gießt Kerosin drüber her, und wenn sie brennen, werft andere in den Qualm, damit sie drin ersticken! Welch üppiges Haar hat diese Frau! Man schütte Pulver hinein – die Regierung hat noch mehr! und sengt ihr den Kopf ab. Ja, Uebung macht den Meister! Da ist ein Effendi, Abdullah sein Name; im Kloster zu Kaghtzorhayatz läßt er einen jungen Mann und eine junge Frau auf einander legen und bringt das Kunststück fertig, beider Köpfe mit einem Schwertstreich abzuschlagen. Es geht aber auch ohne Eisen und ohne Feuer. Der Kurdenscheikh Djevher von Gabars beweist es, läßt zwei Brüder mit Stricken binden und mit Pfählen auf den Boden spießen. Wetteifer spornt die Trägen, und Ehrgeiz fängt an, die Köpfe zu zählen, die eine Hand erschlug. Jener Bäcker in Kesserik, der schon 97 Armenier umgebracht, wofür ihre abgeschnittenen Nasen

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/26&oldid=- (Version vom 31.7.2018)