Seite:Armenien und Europa. Eine Anklageschrift.pdf/192

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

dem Dorfe Karakillisse einen Besuch ab und erhob dort eine Kontribution von 10 Pfund außer Heu, Gerste und dergleichen. Als wir diese Last nicht länger tragen konnten, klagten wir bei der Obrigkeit. Man sagte uns, wir sollten machen, daß wir fortkämen, dann verlangte ein Kurde, Namens Ghazaz Teamer, von uns, daß wir ein Schriftstück unterzeichnen sollten, in welchem es hieß, daß wir uns glücklich unwohl fühlten. Dieses sollte nach Konstantinopel geschickt werden, da er Yuzbaschi bei den Hamidiehs werden wollte. Niemand Unterzeichnete das Schreiben; das ärgerte den Teamer, und er tötete den Avaki und dessen Bruder. Fünf Monate später schlug er den Minaß, den Sohn des Kre aus dem Dorfe Mankassar, tot. Am Anfang des Winters im vorigen Jahre ließ Rezekam Bey unsern Nachbar Sarkiß ins Gefängnis werfen und seinen Kopf in kaltes Wasser tauchen. Nachdem er getrocknet war, wurde er mit Steinöl getränkt, und das Haar angebrannt. Dann versuchte er Sara, die Tochter des Sarkiß, zu verführen, aber sie konnte noch rechtzeitig fortgebracht werden. Kheto, ein Diener des Rezekam, entehrte die Frau eines Armeniers, Namens Murad. Einige Tage später versetzte derselbe Kheto der schwangeren Frau eines anderen Armeniers einen solchen Tritt, daß sie ungefähr eine Stunde später mit einem toten Kinde niederkam. „O, wir konnten nicht dort bleiben, nicht einmal wenn wir Tiere wären.“

Mgirdeetch Mekhoyan, 85 Jahre alt, aus dem Dorfe Koopegheran (Sandjak Bayazid), sagte aus: „Ich wanderte 1894 aus, weil Aipa Pascha mit 40 kurdischen Familien kam, unsere Kirche zerstörte, und uns alles, was wir hatten, wegnahm.“ Derselbe Bericht mit Variationen kommt von jedem Bezirke, ja fast von jedem Dorfe der fünf armenischen Provinzen. Z. B. Bedroß Kozdyan, 55 Jahre alt, aus dem Dorfe Arog (Sandjak Wan) bekundete: „Ich verließ mein Dorf und mein Land mit meiner Familie im August vorigen Jahres, weil wir von den Kurden unter Anführung von Tri, dem Sohne des Tshalo, die von den türkischen Behörden dazu aufgestachelt worden waren, vertrieben wurden. Zuerst kam er und entführte drei Mädchen und zwei junge Frauen, die er wegführte, trotz ihrer Thränen und ihrer inständigsten Bitten. Drei Armenier suchten die unglücklichen Frauen, die sie um Schutz anflehten, zu verteidigen, aber die Kurden töteten sie alle Drei. Sie hießen Sarkiß, Khatscho und Keweark. Am nächsten Tage trieben seine Leute alle Schafe aus dem Dorfe weg. Wir klagten

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/192&oldid=- (Version vom 31.7.2018)