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betreffenden Helden wurden also glücklich gefunden, und zwar als Angehörige von Sr. Majestät Lieblingstruppe – der Hamidieh-Kavallerie von Alaschkerd. Sie bekannten und leugneten nicht. Ein Heer von Zeugen – Türken und Kurden natürlich – Christen sind zu einem solchen Akte ungeeignet – sagten zu Gunsten der 12 gefangenen Armenier aus, die denn auch in Freiheit gesetzt wurden, allerdings am Beutel und an der Gesundheit ruiniert. Das Erkenntnis des Gerichtes lautete dahin, daß die Armenier, welche wegen Ermordung gewisser Kurden, die zwei Armenier umgebracht hatten, angeklagt gewesen waren, ihre Unschuld bewiesen hätten, indem man die betreffenden Kurden lebend und gesund und im Dienste des Beherrschers der Gläubigen als Hamadiehreiter stehend aufgefunden hätte.

Den kurdischen Mördern, um deren kostbares Leben man so viel Wesens gemacht hatte, wurde kein Haar gekrümmt; sie dienen Sr. Majestät dem Sultan mit demselben Eifer und mit derselben Treue wie zuvor.

Ein Hund bellt, wenn ein anderer Hund neben ihm totgeschossen wird. Diese Armenier murrten nicht einmal; sie riefen nur die Vertreter der kaiserlichen Gerechtigkeit herbei, und diese behandelten sie dann als Mörder.

Aber Christen in Armenien wagen nicht einmal den Anspruch zu erheben, so behandelt zu werden wie gehorsame Hunde von ordentlichen Herren behandelt werden.

Die Geschichten, die von diesen Hamadieh-Offizieren im allgemeinen und besonders von einem derselben namens Mostigo im Umlauf waren, schienen so fabelhaft unwahrscheinlich, daß ich mir die größte Mühe gab dahinter zu kommen, wieviel davon wahr sei. Als ich erfuhr, daß dieser bestimmte Fra Diavolo verhaftet worden sei und als gefährlicher Verbrecher in dem Gefängnis von Erzerum sitze, wo er wahrscheinlich gehängt werden würde, beschloß ich, wenn irgend möglich, eine Zusammenkunft mit ihm zu bewerkstelligen, um aus seinem eigenen Munde die Wahrheit zu erfahren. Anfangs wollte es mir nicht gelingen, da der Mörder sehr streng bewacht wurde. Nach langwierigen drei Wochen lang fortgesetzten Bemühungen gewann ich das Ohr des Gefängnisaufsehers, nachdem ich seinen Beutel zur Genüge gefüllt hatte. Sodann bestach ich den Räuber selbst, und das Resultat war, daß Mostigo die Erlaubnis erhalten sollte, heimlich das Gefängnis zu

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Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Leipzig 1897, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/175&oldid=- (Version vom 31.7.2018)