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ihrer Eltern und schieden mit Thränen in der Erwartung, sich nicht wiederzusehen. Nachdem man sie eine halbe Stunde weit auf einen einsamen Platz gebracht hatte, nahm man sie, zwei und zwei besonders, und bedrohten sie mit Tod, wenn sie nicht ihren Glauben wechseln würden. Sie alle sagten mit einer Stimme und unerschrocken: Wir wollen unsern Glauben nicht verleugnen, wir sind bereit, für die Liebe unsers Heilandes zu sterben. Nur 5 gelang es zu entfliehen, doch die übrigen 40 wurden Märtyrer für die Liebe Jesu. Die 5 Fliehenden brachten 12 Tage in einer Höhle zu.

Die ihrer Häuser beraubten Dorfbewohner irrten erst einige Tage hungrig auf den Bergen umher, bis sie sich getrauten, in die Stadt Arabkir zu kommen, um dort Hilfe zu suchen, aber vergeblich. Ein Teil zerstreute sich in andere Ortschaften. Ein Teil kehrte zurück und lebt nun zusammengedrängt in den 10 noch stehenden Häusern, die ohne Thüren und Fenster sind. Sie haben weder Geld, noch Betten, noch Nahrungsmittel. Bis sie etwas Hilfe bekamen, waren 10 Hungers gestorben und viele vor Kälte und Blöße krank geworden.

Schepik hatte 86 Häuser mit 470 Einwohnern, 53 junge Männer wurden erschlagen, und die Zahl der Witwen und Waisen ist groß.


4. Das Blutbad in Wan
am 14. bis 22. Juni 1896.
Bericht der Frankfurter Zeitung vom 15. August.

Ueber die vom 14. bis 22. Juni d. Js. in Wan vorgekommenen gräßlichen Metzeleien, von denen bisher, dank dem türkischen offiziellen Vertuschungssystem, nur spärliche und entstellte Nachrichten nach Europa gedrungen und denen zahllose Menschenleben zum Opfer gefallen sind, wie auch das ganze Vilajet Wan (armenisch Waspurakan) dabei der Zerstörung und Verwüstung anheimgegeben worden ist, erhalten wir soeben einen aus Wan. Ende Juni datierten, vom einem zuverlässigen Augenzeugen stammenden ausführlichen Bericht, der in deutscher Uebersetzung wie folgt lautet:

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Lepsius: Armenien und Europa. Eine Anklageschrift. Verlag der Akademischen Buchhandlung W. Faber & Co., Berlin-Westend 1897, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Armenien_und_Europa._Eine_Anklageschrift.pdf/147&oldid=- (Version vom 31.7.2018)