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daß nicht abzusehen sey, warum, wenn sie einmal in’s Gleiten kommen, dasselbe nicht fortdauere, und die ganze Gletschermasse in die Tiefe stürze. Der Einwurf wäre begründet, wenn ein Gletscher aus einer starren, fest zusammenhängenden Masse bestände, wie z. B. eine Scheibe von Glas, oder ein Felsblock. Ein Körper von dieser Beschaffenheit würde allerdings fortgleiten, wenn sein Gewicht einmal die Reibung am Boden, welche ihn auf einer gleichmäßig geneigten Grundfläche festhält, überwunden hat; denn die Reibung auf der Grundfläche bleibt beim Fortbewegen eines solchen Körpers ungefähr dieselbe; zu dem Druck von oben, der einmal diese Reibung überwunden hat, kommt die Gewalt der Bewegung selbst; es ist folglich keine Ursache da, welche die einmal eingeleitete Bewegung hemmt, und die ganze Masse stürzt mit beschleunigter Geschwindigkeit in die Tiefe. Die angegebene Beschaffenheit ist aber durchaus nicht diejenige eines Gletschers. Er besteht im Gegentheil aus einer vielfach zerklüfteten, dem Drucke nachgebenden Masse, kann also besser verglichen werden mit einer Anhäufung von Schutt, welcher auf einer geneigten Grundfläche aufliegt, als mit einem zusammenhängenden Felsblock. Der wesentliche Unterschied zwischen einer Schuttmasse aus Felstrümmern und einer Trümmermasse von Eis, wie wir uns den Gletscher denken müssen, ist derjenige, daß die erstere unverändert dieselbe bleibt, daß folglich Felsschutt auf geneigter Grundfläche liegen bleibt, wo er einmal sich abgelagert hat, es sey denn, daß nachfallende Massen den Druck von oben vermehren, oder daß einsickernde Wasser die Beweglichkeit der einzelnen Theile erhöhen. Eisschutt auf geneigter Grundfläche erleidet aber eine beständige Veränderung durch die fortdauernde Abschmelzung, die an der Auflagerungsfläche vor sich geht. Es löst sich dadurch der Zusammenhang an allen Stellen, wo die Masse auf der Grundlage aufsitzt, und es muß folglich ein Zeitpunkt eintreten, wo

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Verschiedene: Annalen der Physik und Chemie, Band LX.Leipzig: Verlag von Johann Ambrosius Barth, 1843, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Annalen_der_Physik_1843_550.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)