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meine Herren? In jeder ihrer kleinsten Handlungen, Schicksalswechsel und Lebensstössen? In ihrer immer regen Gegenwürkung und Geistesgrösse? Weilt ihr lieber an der Moorlache, als an der grünen See in unauslöschlicher Bewegung und dem hellen Felsen mitten inn? Ja, meine Herren! wenn Sie den Helden nicht der Mühe werth achten, nach seinen Schicksalen zu fragen, so wird Ihnen sein Schicksal nicht der Mühe werth dünken, sich nach dem Helden umzusehen. Denn der Held allein ist der Schlüssel zu seinen Schicksalen.

Ganz anders ists mit der Komödie. Meiner Meynung nach wäre immer der Hauptgedanke einer Komödie eine Sache, einer Tragödie eine Person. Eine Misheurath, ein Fündling, irgend eine Grille eines seltsamen Kopfs (die Person darf uns weiter nicht bekannt seyn, als in so fern ihr Charakter diese Grille, diese Meynung, selbst dieses System veranlaßt haben kann: wir verlangen hier nicht die ganze Person zu kennen.) Sehen Sie, meine Herren, das wäre so meine Meynung über Shakespears Komödien – und alle Komödien, die geschrieben sind und geschrieben werden können. Die Personen sind für die Handlungen da – für die artigen Erfolge, Wirkungen, Gegenwirkungen, ein Kreiß herumgezogen, der sich um eine Hauptidee dreht – und es ist eine Komödie. Ja warlich, denn was soll sonst Komödie in der Welt seyn? Fragen

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Jakob Michael Reinhold Lenz: Anmerkungen übers Theater. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 54. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anmerkungen_%C3%BCbers_Theater.pdf/54&oldid=- (Version vom 31.7.2018)