Seite:Anmerkungen übers Theater.pdf/35

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mit Recht befürchten müssen – so wollen wirs am andern Ende versuchen, auf das Dach des französischen Gebäudes klettern und unsere gesunde Vernunft und Empfindung fragen.

Was haben uns die Primaner aus den Jesuiterkollegien geliefert? Meister? Wir wollen doch sehen. Die Italiener hatten einen Dante, die Engelländer Shakespearn, die Deutschen Klopstock, welche das Theater schon aus ihrem eigenen Gesichtspunkt ansahen, nicht durch Aristoteles Prisma. Kein Naserümpfen, daß Dantens Epopee hier vorkommt, ich sehe überall Theater drin, bewegliches, Himmel und Hölle, den Mönchszeitenanalog. Da keine Einschränkungen von Ort und Zeit, und freylich, wenn man uns auf der Erde keinen Platz vergönnen will, müssen wir wohl in der Hölle spielen. Was Shakespear und Klopstock in seinem Bardiet gethan, wissen wir alle, die Franzosen aber erschrecken vor allem solchen Unsinn, wie Voltaire wider den la Motte, der im halben Rausch was herlallt, von dem er

selbst nicht Rechenschaft zu geben weiß: Le Francois sont les premiers qui ont fait revivre ces sages regles de Theatre, les autres peuples – Mais comme ce joug etoit juste et que la raison triomphe enfin de tout –[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Voltaire polemisiert gegen A.H.d.l. Motte im Vorwort zu Oedipe (Préface de l’édition de 1729), aus dem Lenz die Anfangssätze zitiert: „Die Franzosen sind die ersten, die die gelehrten Theaterregeln wiederbelebt haben; die andern Völker – Aber da dieses Joch richtig war und die Vernunft schließlich über alles triumphiert –“.
Empfohlene Zitierweise:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Anmerkungen übers Theater. Weygandsche Buchhandlung, Leipzig 1774, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anmerkungen_%C3%BCbers_Theater.pdf/35&oldid=- (Version vom 10.11.2018)